In Streitfällen ist es durchaus vorteilhaft zu wissen, wer zur Familie und zum Freundeskreis des Gegners gehört. Menschen beschäftigen sich intensiv mit den sozialen Beziehungen ihrer Mitmenschen. Sind Schimpansen ebenfalls in der Lage, das soziale Gefüge ihrer Artgenossen im Auge zu behalten? Dieser Frage haben sich Forscher aus Deutschland angenommen und stellten fest: Schimpansen wissen sehr genau, wer in ihrer Gruppe mit wem besonders gut kann.
Soziale Netzwerke: Die pflegen nicht nur wir Menschen, auch Schimpansen kooperieren innerhalb ihrer Gruppe mit Artgenossen und verschaffen sich so einen Vorteil. Im Kampf beispielsweise ist es durchaus nützlich, wenn Freunde im Notfall zu Hilfe eilen können. Auf der anderen Seite hat der Gegner natürlich auch seine sozialen Kontakte geknüpft. Da ist es ebenso ratsam zu wissen, wer dem Gegner im Laufe des Kampfes zu Hilfe eilen könnte. Aber: Wissen die Schimpansen wirklich um die engen Freunde ihrer Artgenossen? Eine Studie mit frei lebenden Schimpansen aus Uganda beleuchtet diese Frage.
Schimpansen wissen um die Freunde ihrer Feinde
Wissenschaftler um Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben dazu den sogenannten Playback-Test eingesetzt: Dabei gerät ein Schimpanse mit einem anderen in einen handgreiflichen Streit. Dann lassen die Forscher zwei Stunden verstreichen, bevor ein Tonband mit einem aggressiven Schrei von einem unbeteiligten Tier abgespielt wird. Mit der geeigneten Wahl des „Schreiers“ können die Forscher so die Ankunft eines Gegnerfreundes simulieren. Das Spannende ist dann, die Reaktion des Schimpansen auf diesen Schrei genau zu beobachten. „Schimpansen blickten länger auf den Lautsprecher und bewegten sich häufiger von ihm weg, wenn sie mit den aggressiven Schreien eines Kooperationspartners ihres Gegners konfrontiert waren“, sagt Wittig. Schimpansen wissen also, wer mit wem innerhalb der Gruppe kooperiert.
Doch was genau führt zu dieser ablehnenden Haltung? Ist es die Tatsache per se, dass ein Freund des Feindes sich nähert oder sind es die aggressiven Rufe, die er von sich gibt? Deshalb haben die Forscher den Playback-Test um das Einspielen von Tonbandaufnahmen freundlicher Rufe erweitert. „Die Schimpansen hatten nichts gegen den Rufer per se“, erklärt Wittig. „Sie zeigten ihre Ablehnung nur dann, wenn der Rufer aggressiv auftrat.“ Oder aus der Sicht eines Schimpansen: Ist der Freund meines Feindes nett zu mir, so habe ich auch nichts gegen ihn.
Rang und Paarungschancen verbessern
Schimpansen erinnern sich also über mehrere Stunden an den Kampf, den sie ausgefochten haben. Sie wissen genau, wer ihr Gegner war. Sie sind sich bewusst, dass sie sich dadurch eventuell die Freunde ihres Gegners zu Feinden gemacht haben und begegnen diesen mit Vorsicht. Es ist schon eine enorme Leistung das komplexe Netzwerk sozialer Interaktionen innerhalb einer Gruppe derart gut zu überblicken. Doch das Wissen um die Feinde des Freundes kann durchaus kampfentscheidend sein. Und der Vorteil, der sich daraus ergibt ist nicht unerheblich: Der Sieger eines Kampfes verbessert schließlich sowohl seinen Rang als auch seine Paarungsmöglichkeiten.
(Proceedings of the Royal Society B, 2014; doi: 10.1098/rspb.2013.3155)
(Max-Planck-Gesellschaft, 05.02.2014 – KEL)