König der Lautstärke: Der in Brasilien heimische Einlappenkotinga singt lauter als jeder andere Vogel. Sein ohrenbetäubender Gesang erreicht noch in vier Meter Entfernung Lautstärken von 104 Dezibel – in Spitzenwerten sogar noch mehr. Wie Forscher berichten, gibt der Schmuckvogel seine rekordlauten Rufe vor allem bei der Balz zum Besten. Den Angebeteten drohen dadurch womöglich sogar Hörschäden.
Sie warnen Artgenossen vor Gefahr, täuschen Feinde oder bezirzen potenzielle Partner: Vögel setzen ihre Stimme zu den unterschiedlichsten Zwecken ein. Dabei haben sie für jeden Anlass ihre ganz eigenen Rufe und Gesänge entwickelt. Insbesondere beim Balzgesang bringen die Piepmätze für gewöhnlich ihr ganzes musikalisches Talent zum Einsatz, um die Gunst ihrer Angebeteten zu gewinnen.
Während manche Vogelarten beim Werben eher zarte Töne anschlagen, scheint der in Brasilien heimische Einlappenkotinga (Procnias albus) eine andere Strategie zu verfolgen: Er will offenbar durch Lautstärke überzeugen. „Wenn Weibchen in der Nähe sind, stimmen die Männchen ihre lautesten Gesänge an“, berichtet Jeff Podos von der University of Massachusetts in Amherst. Das sei ungewöhnlich, weil laute Rufe normalerweise für die Kommunikation über lange Distanzen genutzt werden.
Ohrenbetäubende Beschallung
Wie sich nun zeigt, ist der Balzgesang der Einlappenkotinga sogar rekordverdächtig: Er ist lauter als jeder andere bekannte Ruf eines Vogels. So fanden Podos und sein Kollege Mario Cohn-Haft vom Nationalen Institut für Amazonasforschung (INPA) in Manaus bei ihren Messungen im brasilianischen Regenwald heraus: Sitzt ein Weibchen vier Meter vom männlichen Sänger entfernt, wird es mit 104 Dezibel beschallt. Einzelne Spitzenwerte dröhnen sogar mit 113 dB(A) auf das Gehör der Vogeldame ein.
Damit stößt der Einlappenkotinga den bisherigen König der Lautstärke im Vogelreich vom Thron, den Schreienden Piha (Lipaugus vociferans). Wie die Wissenschaftler berichten, erreicht er im Vergleich zu dieser Vogelart ungefähr den dreifachen maximalen Schalldruck.
Kurze Vorführung
Für die umworbenen Damen sind das nur bedingt gute Nachrichten: Für sie könnten die rekordlauten Gesänge im wahrsten Sinne des Wortes ohrenbetäubend sein und eine potenzielle Gesundheitsgefahr darstellen. „Es ist schon verwunderlich, dass die Weibchen freiwillig so nah an die laut singenden Männchen herankommen“, sagt Podos. „Wahrscheinlich wollen sie sie genau unter die Lupe nehmen und riskieren dafür womöglich sogar Hörschäden.“
Immerhin: Unendlich lange müssen die Vogelweibchen die Beschallung nicht aushalten. Denn je lauter die Männchen singen, desto kürzer dauert ihre Vorführung. Vermutlich können die nur ein Viertel Kilogramm schweren Vögel die damit verbundene Anstrengung schlicht nicht länger durchhalten, wie die Forscher spekulieren.
Eine Form des Pfauenrads
Ihrer Ansicht nach ist der rekordlaute Balzgesang des Einlappenkotingas ein weiteres Beispiel für die Folgen der sexuellen Selektion, die sich mitunter in bizarren und übertriebenen Merkmalen äußert – sei es das Pfauenrad oder eben das ohrenbetäubende Singen der neuen Rekordhalter.
In Zukunft wollen Podos und Cohn-Haft mehr über diese einzigartige Eigenschaft der Vögel in Erfahrung bringen: Welche physikalischen und anatomischen Strukturen machen den Tieren den lauten Gesang überhaupt möglich? Und wie vermeiden die umworbenen Weibchen, dass ihr Gehör empfindlich leidet? (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2019.09.028)
Quelle: Cells Press