Sie erträgt enorme Belastungen und hat nicht umsonst einen sagenumwobenen Helden als Namensquelle: die Achilles-Sehne. Was sie so stabil macht, haben Forscher nun herausgefunden. Sie entdeckten eine hochfunktionale Gewebeschicht aus extrem dünnen Proteinfasern, die wie eine Art Super-Klebstoff die Sehne am Knochen hält – und zwar so gut, dass sie eher reißt als sich vom Fersenbein zu lösen.
Die Achilles-Sehne verbindet Fersenbein und Wadenmuskel und hält enormen Belastungen stand. Benannt nach dem griechischen Helden Achilleus, dessen einzige verwundbare Stelle seine Ferse gewesen sein soll, leistet sie Sagenhaftes und hält Belastungen stand, die bis zum Zehnfachen des Körpergewichtes reichen können. Rund 8.000 Mal pro Jahr gibt in Deutschland aber selbst die starke Achilles-Sehne nach – und löst sich nicht etwa an der Verbindungsstelle zum Knochen, sondern reißt.
Warum die Achilles-Sehne eher durchreißt, als den Halt zum Fersenbein zu verlieren, hat nun ein interdisziplinäres Team aus Medizinern, Physikern, Chemikern und Ingenieurwissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) untersucht. Dafür fügten die Forscher einzelne Mikroskopaufnahmen eines präparierten Schweineknochens mit Sehne digital zu einer Großaufnahme zusammen, um die Region, an der Sehne und Knochen miteinander verwachsen sind, genauer zu betrachten.
Übergangszone zwischen Sehne und Knochen
Dabei stießen sie auf eine Übergangszone aus dünnen Proteinen. Diese sind fest in der zerklüfteten Oberfläche des Knochens verankert und mechanisch äußerst belastbar, wie Andreas Bausch von der TUM erklärt.
„Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tatsächlich gibt es jedoch einen Übergangsbereich. Hier spleißt sich das Sehnengewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charakteristischen biochemischen Zusammensetzung“, beschreibt Bausch die Entdeckung.
Fasern werden „nach Bedarf“ aktiv
Als nächstes setzten die Wissenschaftler fluoreszierende Antikörper ein, mit denen sie gezielt bestimmte Proteine zum Leuchten brachten und so detaillierte Einblicke in die feine Faserstruktur am Übergang von der Sehne zum Knochen erhielten. „Auf diese Weise konnten wir die Struktur der feinen, aufgespleißten Fasern sichtbar machen“, berichtet Bausch.
Bei Belastungstests, bei denen die Sehne „in Aktion“ gefilmt wurde, zeigte sich eine weitere Besonderheit: Je nach Belastungsrichtung sind unterschiedliche Fasern aktiv und stabilisieren den Kontakt zum Knochen. Dies funktioniert so gut, dass bei Überbelastung die Sehne eher selbst reißt, als die Haftung zum Fersenbein zu verlieren.
Einsatzmöglichkeiten in Medizin und Materialwissenschaft
Die Resultate werfen ein ganz neues Licht auf die Grenzschicht zwischen Knochen und Sehne. „Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und biomechanischen Prozesse in der Kontaktzone zwischen Knochen und Sehne zu verstehen, die unserem Bewegungsapparat seine enorme Stabilität verleihen“, sagt Bausch.
Das neue Wissen über den Halt der Achilles-Sehne am Knochen könnte nicht nur in der Medizin, zum Beispiel bei der Refixierung von Implantaten in der Chirurgie, von Bedeutung sein, sondern auch für die innovative Verbindung von festen und weichen Werkstoffen in der Materialforschung.
(Nature Materials, 2017; doi: 10.1038/NMAT4863)
(TU München, 01.03.2017 – CLU)