Umwelt

Deutlicher Vogelschwund in Fukushima

Trotz sinkender Radioaktivität nimmt die Zahl der Singvögel im Sperrgebiet immer stärker ab

Rauchschwalben waren um Fukushima einst häufig, heute gibt es sie dort kaum noch © Lip Kee/ CC-by-sa 2.0

Kein Zwitschern mehr: Vier Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima zeigen sich deutliche Folgen in der Vogelwelt der Region. Die Zahl der Singvögel im Sperrgebiet ist stark geschrumpft, einige einst häufige Arten sind fast ganz verschwunden. Der Rückgang ist klar dosisabhängig und hat sich trotz sinkender Radioaktivität in den letzten Jahren sogar noch verstärkt, wie die Forscher im Fachmagazin „Journal of Ornithology“ berichten.

Atomkatastrophen wie Tschernobyl oder Fukushima hinterlassen ihre Folgen nicht nur bei den Bewohnern der betroffenen Regionen, auch die Natur verändert sich. Wie vor allem Tiere mit den erhöhten Strahlendosen zurechtkommen, ist bisher nur in Teilen untersucht. So scheinen sich einige Vögel im Sperrgebiet von Tschernobyl inzwischen an die Radioaktivität angepasst zu haben. Ob dies aber grundsätzlich gilt und wie Vogelpopulationen in den ersten Jahren nach einer solchen Verseuchung reagieren, war bisher unklar.

Um das zu ändern, haben Tim Mousseau von der University of South Carolina und seine Kollegen seit dem Atomunglück von Fukushima im April 2011 jedes Jahr im dortigen Sperrgebiet eine Reihe von Vogelzählungen durchgeführt. Zusätzlich analysierten sie Blutproben einiger Vogelarten, um festzustellen, welche physiologischen Folgen die erhöhte Strahlung für die Tiere hatte. Jetzt haben sie ihr erstes Fazit in mehreren Publikationen veröffentlicht.

Strahlenmessung in der Sperrzone von Fukushima © Tim Mousseau

Drastischer Rückgang

Das Ergebnis: Die radioaktive Belastung hat deutliche Schneisen in die einst reiche Vogelwelt rund um Fukushima geschlagen. Die Bestände vieler Arten sind zurückgegangen, einige sogar drastisch, wie die Forscher berichten. Ein Beispiel dafür ist die Rauchschwalbe: „Von dieser gab es in der Region vor der Katastrophe Hunderte, jetzt, nur ein paar Jahre später, sind nur noch ein paar Dutzend übrig“, sagt Mousseau. „Der Rückgang ist wirklich dramatisch.“ Auch die Zahl der Vogelarten in der Region ist zurückgegangen.

Vergleiche mit den Strahlenwerten ergaben, dass die Singvögel überall dort besonders rar geworden sind, wo die radioaktive Belastung hoch ist. Wie die Forscher feststellten, bekommen die Vögel in diesen Gebieten heute weniger Nachwuchs, die Nester werden immer leerer. Dabei sind allerdings nicht alle Vogelarten gleich stark betroffen: Kleine Singvögel, die einen relativ hohen Energieumsatz und daher einen höheren Nahrungsbedarf haben, sind stärker zurückgegangen als größere Arten.

Verschlechterung trotz sinkender Belastung

Doch besorgniserregend finden die Forscher vor allem, dass sich diese Entwicklung trotz allmählich sinkender radioaktiver Belastung nicht zu bessern scheint – ganz im Gegenteil. Der Rückgang der Vogelzahlen und -arten hat sich im Verlauf der letzten vier Jahre sogar beschleunigt. „Die Korrelation zwischen Strahlung und Vogelzahlen war schon im ersten Sommer negativ, aber dies hat sich seither sogar noch verstärkt“, sagt Mousseau.

Die Forscher führen diese Verschlechterung darauf zurück, dass sich in dieser akuten Phase der Strahlenbelastung die Radionuklide im Körper anreichern und sich dadurch ihre Giftwirkung allmählich verstärkt. Ihre Studien in Tschernobyl deuten darauf hin, dass später vor allem die krebserregenden und mutationsauslösenden Wirkungen der Strahlung zum Tragen kommen.

Radioaktive Belastung im ersten Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima © DOE

Mechanismus der Schädigung noch unklar

Über welche Mechanismen die Strahlung die Singvögel schädigt, ist bisher allerdings unklar. Erste Ergebnisse von Blutanalysen bei Rauchschwalben-Nestlingen ergaben keine Hinweise auf vermehrte Schäden an der DNA der Vögel, wie die Forscher berichten. „Das aber sollte man nicht als Beleg dafür werten, dass der radioaktive Fallout keine negativen Folgen auf die Vögel hat“, betont Mousseau. Denn zum einen habe man keine adulten Vögel untersucht, zum anderen könnte die Strahlung auch über andere Mechanismen das verringerte Überleben und die sinkende Reproduktion verursacht haben.

Dass genetische Schäden durchaus eine Rolle spielen, zeigen die Studien von Mousseau und seinen Kollegen in Tschernobyl. Dort hat die Häufigkeit einiger Vogelarten seit dem Atomunfall vor 25 Jahren ebenfalls abgenommen, bei anderen fanden die Forscher auffällig viele Moleküle im Blut, die an der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt sind. (Journal of Ornithology, 2015; doi: 10.1007/s10336-015-1197-2)

(University of South Carolina, 16.04.2015 – NPO)

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