Grün statt weiß: Die Küsten der Antarktis könnten in Zukunft völlig anders aussehen als heute. Denn im Zuge des Klimawandels erobern die Pflanzen allmählich den eisigen Kontinent. Schon jetzt wachsen die Moose auf der antarktischen Halbinsel fünffach schneller als noch vor 50 Jahren, wie Forscher in Fachmagazin „Current Biology“ berichten. Sie darin ein Indiz für einen fundamentalen Wandel dieser Region.
Die Antarktis ist einer der lebensfeindlichsten Kontinente der Erde. Fast komplett von Eis bedeckt, bleibt zumindest für Tiere und Pflanzen kaum Platz. Nur an den Küsten können sich Lebewesen überhaupt halten. Kein Wunder daher, dass nur rund 0,3 Prozent der Landfläche der Antarktis bewachsen sind – meist von kältetoleranten Moosen und Flechten. Sie verteilen sich in einzelnen Flecken vor allem entlang der westantarktischen Halbinsel.
Moosbänke als Zeitzeugen
Doch mit dem Klimawandel verändern sich auch die Bedingungen für die wenigen pflanzlichen Bewohner der Antarktis. Seit den 1950er Jahren sind die Temperaturen auf der antarktischen Halbinsel im Mittel um ein halbes Grad pro Jahrzehnt gestiegen, wie Studien belegen. Auch das Eis weicht im Sommer immer weiter zurück.
Wie sich dies auf die Pflanzenwelt der Antarktis auswirkt, haben nun Matthew Amesbury von der University of Exeter und seine Kollegen untersucht. Für ihre Studie entnahmen sie an fünf Stellen entlang der antarktischen Halbinsel Bohrkerne aus bis zu 150 Jahre alten Moospolstern. Anhand dieser Proben verglichen sie, wie sich Wachstum, biologische Aktivität und Masse der Moose im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt haben.
Rapides Wachstum
Das Ergebnis: In den letzten 50 Jahren hat das Mooswachstum auf der antarktischen Halbinsel rapide zugenommen. Die Moospolster nehmen heute sehr viel schneller an Größe und an Masse zu und auch das Mikrobenleben in diesen Postern ist reger als früher. Vor allem seit Anfang der 1970er Jahre registrierten die Forscher einen sprunghaften Anstieg des Mooswachstums – und dies selbst am südlichsten und kältesten der untersuchten Standorte.
„Der Temperaturanstieg hat einen dramatischen Effekt auf die Moosbänke der Region“, sagt Amesburys Kollege Dan Charman. Die biologische Aktivität in allen Proben hat sich seit den 1960er Jahren um das Vier- bis Fünffache erhöht. „Das belegt, wie sensibel die Moose hier auf den Klimawandel reagieren.“
Indiz für fundamentalen Wandel
Nach Ansicht der Forscher sind die wachsenden Moose nur ein Indiz für den grundlegenden Wandel, den die antarktische Halbinsel zurzeit erlebt und künftig noch erleben wird. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Ökosysteme sich rapide verändern werden und mit ihnen auch die Biologie und Landschaft dieser Region“, sagt Charman.
Geht der Klimawandel so weiter, prognostizieren die Forscher vor allem für die antarktische Halbinsel ein ganz neues Aussehen: Statt kahler Felsen, Eis und Schnee könnte die Vegetation sich immer weiter ausbreiten und die Landschaft ergrünen lassen. „Die antarktische Halbinsel wird in der Zukunft ein viel grünerer Ort sein“, sagt Amesbury. (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.04.034)
(Cell Press/ University of Exeter, 19.05.2017 – NPO)