Biologie

Die größten Haie der Welt sind keine reinen Fleischfresser

Statt nur Krill und Fisch fressen Walhaie auch Sargassum-Tang

Walhai
Walhaie galten bisher als Fleischfresser – wie alle andere Haie auch. Doch das ist offenbar ein Irrtum. © Andre Rerekura/ Australian Institute of Marine Science

Von wegen Fleischfresser: Walhaie – die größten Fische der Welt – fressen offenbar mehr als nur Krill und kleine Fische. Bei ihnen stehen auch Pflanzen wie der Sargassum-Tang auf dem Speiseplan, wie Biologen herausgefunden haben. Die bis zu 18 Meter langen Fische sind damit die größten Allesfresser unseres Planeten. Vermutlich haben die Haie dabei aus der Not eine Tugend gemacht: Weil sie beim Krillfangen ohnehin ständig Tang ins Maul bekommen, haben sie gelernt, ihn zumindest teilweise zu verdauen.

Walhaie (Rhincodon typus) sind mit bis zu 18 Meter Länge die größten Fische der irdischen Meere. Ähnlich wie viele große Wale sind jedoch auch diese in tropischen Meeren lebenden Haie keine Top-Prädatoren, sondern ernähren sich von den Winzlingen des Ozeans: Sie filtern mit ihrem schwammartigen Reusenapparat Krill, kleine Fische und andere schwimmende Organismen aus dem Wasser. Bisher galten die Walhaie daher ähnlich wie Blau- und Buckelwale primär als Fleischfresser.

Taucher und Walhai
Gewebeproben aus der Rückenflosse von Walhaien lieferten die Indizien. © Andre Rerekura/ Australian Institute of Marine Science

„In marinen Systemen sind die größten Wirbeltiere alle Filtrierer, die Nekton fressen“, erklären Mark Meekan vom Australian Institute of Marine Science und seine Kollegen. „Dieser Fress-Modus ist den größten Knochenfischen, Haiartigen und Meeressäugern seit dem Erdmittelalter gemeinsam.“ Weil vor allem die kleinen Krill-Krebse oft in dichten Schwärmen vorkommen, liefern sie reichliche und einfach zu „erntende“ Nahrung – und erst das ermöglichte es den Riesen unter den Meerestieren, ihre gewaltigen Größen zu erreichen.

„Fehlfang“ im Maul

Das Problem nur: Wenn Walhaie mit weit aufgerissenem Maul große Mengen an Meerwasser durch ihre Filter spülen, dann bleibt dort alles hängen, was im Wasser schwimmt – darunter vor allem Seetang. Denn diese Haie halten sich oft in Küstennähe und damit in Meeresgebieten auf, in denen viele Sargassum-Braunalgen wachsen. Stücke dieses Seetangs treiben dann auch an der Wasseroberfläche. Beim Fressen schlucken die Haie diese Algen dann mitsamt ihrer Krillbeute hinunter.

„Aber was tun diese Tiere mit dem verschluckten Material?!“, fragten sich Meekan und sein Team. Theoretisch könnten die Walhaie diesen „Fehlfang“ wieder hochwürgen, das würde aber viel Energie kosten. „Einmal im Magen, nimmt der Tang aber Platz weg, der dann für das Futter fehlt“, erklären die Biologen. Kotproben von Walhaien legen zwar nahe, dass die Sargassum-Algen den Verdauungstrakt der Haie passieren. Doch ob die Haie diesen Tang nur unverdaut ausscheiden oder ihn doch zumindest zum Teil verwerten, war bislang unbekannt.

Überraschend niedrige Position im Nahrungsnetz

Um das zu klären, haben Meekan und sein Team Vergleichsanalysen auf Basis von Fettsäuren und Stickstoffisotopen durchgeführt. Dafür sammelten sie an der Ningaloo-Küste vor der Westaustralien Proben von allem, was zum Speiseplan der dort lebenden Walhaie gehören könnte: Phytoplankton, Salpen, Krill, kleine Fische und auch Sargassum-Braunalgen. Zusätzlich nahmen sie von 17 Walhaien Kotproben sowie Gewebeproben aus der Rückenflosse.

Durch Analysen der Stickstoff-Isotope in allen Proben bestimmten die Forschenden zunächst, auf welcher Ebene des lokalen Nahrungsnetzes die Walhaie stehen. Es zeigte sich: Anders als erwartet lag die trophische Position der Haie bei nur 1,4 bis 2,5. Damit standen sie in der Hierarchie des Nahrungsnetzes gleichauf und sogar etwas niedriger als der Krill. Dieser müsste aber eigentlich unter den Walhaien stehen, wenn er zusammen mit kleinen Fischen und anderen Meerestieren ihre Hauptnahrung ist.

Fettsäuren von Sargassum in der Haut

Auch der Vergleich der Fettsäuren lieferte unerwartete Ergebnisse: Die Fettsäuren in der Haut der Walhaie enthielten einen relativ hohen Anteil an Arachidonsäure. Diese mehrfach ungesättigte Fettsäure kommt auch im Sargassum-Seetang reichlich vor, nicht aber im Krill oder anderem Plankton. „Das ist ziemlich seltsam, weil die Walhaie damit weder die Isotopensignatur noch die Fettsäuren eines krillfressenden Tieres zeigen“, sagt Koautorin Patti Virtue von der University of Tasmania.

Nach Ansicht der Wissenschaftler gibt es dafür nur eine Erklärung: Die Walhaie müssen auch Seetang fressen und verdauen. Pflanzliche Kost macht demnach einen signifikanten Teil ihres Speiseplans aus. „Das stellt alles auf den Kopf, was wir bisher über das Nahrungsspektrum der Haie zu wissen glaubten“, sagt Meekan. „Offensichtlich fressen sie regelmäßig auch pflanzliches Material.“ Bisher galten alle Haiartigen als reine Fleischfresser.

Allesfresser statt Fleischfresser

Doch die neuen Ergebnisse legen nahe, dass die Walhaie keine Fleischfresser, sondern Allesfresser sind. Diese Fische sind damit gleichzeitig die größten Allesfresser auf unserem Planeten. Die Biologen vermuten, dass das Tangverdauen bei den Walhaien gewissermaßen als Nebenprodukt ihrer Fressweise entstand: Weil die Tiere bei ihrem Wassereinsaugen ohnehin oft Seetang mit verschlucken, haben sie im Laufe der Evolution aus der Not eine Tugend gemacht – und gelernt, den Tang zu verwerten.

Dies verändert auch insgesamt die Vorstellung davon, was die Riesen des Tierreichs fressen: „An Land waren die größten Tiere schon immer Pflanzenfresser. Wir dachten jedoch, dass ozeanische Riesen wie Wale und Walhaie in der Nahrungskette eine Stufe höher stehen, weil sie kleine Tiere wie Krebse und Fische fressen“, sagt Meekan. „Aber wie sich zeigt, sind die Unterschiede zwischen Land und Wasser in dieser Hinsicht wohl geringer als wir angenommen haben.“ (Ecology, 2022; doi: 10.1002/ecy.3818)

Quelle: Australian Institute of Marine Science

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