Fatale Gendefekte: Den letzten Mammuts machten vor 4.000 Jahren wahrscheinlich auch krankhafte Erbgutveränderungen den Garaus. Wie Forscher berichten, hatten sich im Genom der letzten Population dieser Dickhäuter Mutationen angesammelt, die spürbare Folgen für die Gesundheit hatten. Diese Veränderungen beeinträchtigten unter anderem die Entwicklung, die Fruchtbarkeit und den Geruchssinn der Mammuts.
Einst waren Mammuts die am weitesten verbreiteten Großsäuger auf unserem Planeten. Doch mit dem Ende der letzten Eiszeit begann auch das Ende dieser Dickhäuter: Die meisten von ihnen starben vor rund 10.000 Jahren aus. Lediglich kleine Gruppen von Wollhaarmammuts überlebten länger. So harrten auf der abgeschiedenen Sankt-Paul-Insel im Beringmeer noch bis vor 5.600 Jahren einige Tiere aus. Auf der Wrangelinsel im Osten Sibiriens verschwanden die letzten Mammuts sogar erst vor 4.000 Jahren.
Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass diese letzte Population dann ziemlich abrupt unterging. Doch was war die Ursache? Umweltveränderungen, die die Mammuts zu einer ungünstigen Ernährungsumstellung zwangen, werden in diesem Zusammenhang ebenso diskutiert wie Trinkwasserprobleme und die Bejagung durch den Menschen.
Schädlich oder nicht?
Womöglich waren aber auch die Gene schuld. So legen Studien nahe, dass sich im Erbgut der Wrangelinsel-Mammuts eine Reihe von Mutationen angesammelt hatten. „Die isolierten Wrangelinsel-Mammuts erlebten einen rapiden Populationsrückgang, was zu Inzucht, dem Verlust genetischer Vielfalt und als Folge zur Festsetzung potenziell schädlicher Allele führte“, erklären Erin Fry von der University of Chicago und ihre Kollegen. „Die funktionellen Konsequenzen dieser Prozesse sind aber unklar.“
Kurzum: Litten die Mammuts unter den Veränderungen in ihrem Erbgut oder nicht? Um dies herauszufinden, haben die Wissenschaftler nun den Test gemacht. Für ihre Studie verglichen sie die DNA eines Mammuts von der Wrangelinsel mit der von drei asiatischen Elefanten sowie zwei älteren Mammuts aus der Blütezeit der eiszeitlichen Dickhäuter. Dabei identifizierten sie eine Reihe von Mutationen, die nur bei dem Wrangelinsel-Mammut auftauchten – sie lagen unter anderem auf für die neurologische Entwicklung, Insulin-Signalwege, die Fruchtbarkeit und den Geruchssinn wichtigen Genen.
Mutationen mit Folgen
In einem nächsten Schritt untersuchte das Forscherteam, was diese genetischen Veränderungen mit Zellen in der Petrischale machten – sie erweckten die mutierte Mammut-DNA gewissermaßen wieder zum Leben. „Das Besondere an unserer Arbeit ist, dass wir überprüft haben, ob die Mutationen wirklich schädlich waren“, erklärt Mitautor Vincent Lynch von der University at Buffalo.
Bei den Untersuchungen zeichnete sich ab: Zumindest manche Mutationen führten in den Zellen zur Produktion von Proteinen, die nicht normal funktionierten. „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass manche Mutationen tatsächlich funktionsverändernd waren“, konstatieren Fry und ihre Kollegen.
Krank und geruchsblind
Konkret stellten die Forscher unter anderem fest: Veränderungen im sogenannten NKD1-Gen könnten zu einer verminderten Fruchtbarkeit der Mammutbullen geführt haben. Mutationen im HYLS1-Gen lösten dagegen wahrscheinlich weitreichende Probleme in Bezug auf die Entwicklung aus, denn HYLS1 ist für die Bildung von Zellfortsätzen, sogenannten Zilien, zuständig. „Diese spielen für die Entwicklung von Wirbeltieren eine große Rolle“, erklärt das Team.
Auch die Sinneswahrnehmung der Mammuts war teilweise offenbar eingeschränkt. So nahmen die im OR5A1-Gen gefundenen Veränderungen den Dickhäutern die Fähigkeit, Beta-Ionone zu riechen – diese Stoffe sind für den typischen blumigen Geruch vieler Pflanzen verantwortlich. „Die Mammuts waren am Ende wahrscheinlich sehr krank und sie konnten keine Blumen mehr riechen – das ist einfach traurig“, fasst Lynch die Ergebnisse zusammen.
„Warnendes Beispiel“
Insgesamt scheint damit klar: Ihre Isolation und geringe Populationsgröße hatte für die Wrangelinsel-Mammuts negative gesundheitliche Folgen – und könnte ihnen schließlich den Garaus gemacht haben. Genanalysen bei weiteren Mammuts müssen in Zukunft zwar noch bestätigen, ob die Mutationslast bei den Bewohnern dieser Insel zuletzt wirklich größer war als bei anderen Mammut-Populationen.
Doch nach Ansicht der Forscher zeigen die Ergebnisse schon jetzt, welche Konsequenzen die zunehmende Verkleinerung von Tierpopulationen haben kann. „Es ist ein warnendes Beispiel auch für heute vom Aussterben bedrohte Spezies: Bleiben deren Populationen klein, können sich auf Dauer schädliche Mutationen ansammeln, die das Aussterben zusätzlich fördern“, schließt Lynch. (Genome Biology and Evolution, 2020; doi: 10.1093/gbe/evz279)
Quelle: University at Buffalo