Sodom und Gomorra! Breitfuß-Beutelmäuse sind für ihre bis zu 14 Stunden dauernden Sexmarathons bekannt. Doch neben Orgien frönen diese Beuteltiere offenbar auch dem Kannibalismus, wie Biologen herausgefunden haben. Demnach werden die Männchen, die allesamt nach der Paarung an Erschöpfung sterben, von den verbliebenen Tieren einfach aufgefressen. Sie enden dadurch als nahrhafte Stärkung für den Rest der Population.
Im Tierreich kann die Fortpflanzung schnell tödlich enden. So werden die Männchen einiger Spinnenarten zum Beispiel nach der Paarung einfach von ihren Weibchen aufgefressen. Bei den Eintagsfliegen sterben sogar alle Beteiligten nach dem Vollzug des Akts, weil ihr Körper den programmierten Zelltod einleitet. Wieder andere Tiere sterben an Erschöpfung, darunter die Lachse, die sich zuvor mühevoll aus dem Ozean flussaufwärts zu ihren Laichgründen gekämpft haben.
Tödlicher Sexmarathon
Ein besonders skurriles tödliches Sexualverhalten ist bei den australischen Breitfuß-Beutelmäusen (Antechinus) zu beobachten. Während der ein- bis dreiwöchigen Paarungszeit veranstalten die Nager wilde, bis zu 14 Stunden dauernde Orgien. Dabei kämpfen die Männchen erbittert darum, so viele Weibchen wie möglich zu begatten. Für die männlichen Beutelmäuse bedeutet das jedoch eine enorme Belastung – zu enorm für ihren kleinen Körper.
„Alle Männchen sterben an den Folgen des Stresses, da der steigende Testosteronspiegel den Körper unkontrolliert mit Cortisol überschwemmt und pathologische Werte erreicht“, erklärt Andrew Baker von der Queensland University of Technology. Das Immunsystem der Nager bricht in der Folge zusammen und bringt ihnen noch vor Erreichen ihres ersten Geburtstages den Tod. Damit halbiert sich auch die Population der Breitfuß-Beutelmäuse schlagartig – bis ein paar Monate später neue Jungtiere geboren werden.
Vom Liebhaber zum Kannibalen
Doch die toten Beutelmaus-Männchen haben offenbar noch einen Zweck zu erfüllen, wie Baker und sein Team im New England National Park in New South Wales beobachtet haben. Auf einer der von ihnen erstellten Aufnahmen ist zu sehen, wie eine Braune Breitfuß-Beutelmaus (Antechinus mimetes) gerade einen toten männlichen Artgenossen vertilgt. Neben Orgien frönen die kleinen Nager also offenbar auch dem Kannibalismus, wie die Biologen berichten.
„Die Männchen fallen tot um, was den noch lebenden Männchen und den trächtigen oder säugenden weiblichen Tieren die Möglichkeit bietet, billig Energie durch Kannibalismus zu gewinnen“, erklärt Baker. Bei der kannibalischen Maus auf dem Foto handelt es sich ihm zufolge wahrscheinlich um ein Männchen. Darauf deute unter anderem der stressbedingte Haarausfall an Armen und Schulter des Nagers hin. „Vielleicht war er dazu bestimmt, bald die Mahlzeit eines anderen zu werden“, so Baker.
Beutelmäuse betreiben „Kadaver-Ringtausch“
Im New England National Park kommt der Tod der erschöpften Mäusemännchen jedoch nicht nur der eigenen Art zugute. Neben Braunen Breitfuß-Beutelmäusen leben dort auch Stuart-Breitfuß-Beutelmäuse (Antechinus stuartii), die ein ähnlich wildes und tödliches Paarungsverhalten an den Tag legen – allerdings zu einer anderen Zeit als ihre Verwandten.
„Für die sich früh paarenden Antechinus-Arten kann dies bedeuten, dass trächtige und säugende Weibchen energiereiche Nahrung erhalten, indem sie die absterbenden Männchen der später beginnenden Arten kannibalisieren“, erklärt Baker. „Bei den späteren Arten könnten beide Geschlechter die Gelegenheit nutzen, tote Männchen der früheren Arten zu kannibalisieren, um vor Beginn ihrer eigenen Paarungszeit an Gewicht und Kondition zuzulegen.“ Es entsteht eine Art Kadaver-Ringtausch, der dem massenhaften Tod der männlichen Beutelmäuse zumindest so etwas wie Sinn verleiht.
Übrigens könnte die Veranlagung zum Kannibalismus bei den Beutelmäusen in der Familie liegen. Auch bei anderen Raubbeutlern (Dasyuridae) wie Beutelmardern oder Tasmanischen Teufeln wurde ein solches Verhalten bereits dokumentiert. Trotzdem ist es in der freien Wildbahn eher selten zu beobachten, wie die Forschenden erklären. (Australian Mammalogy, 2024; doi: 10.1071/AM23042)
Quelle: Queensland University of Technology