Auf der falschen Fährte: Eine Spur großer Dinosaurier-Fußabdrücke in Australien stammt nicht wie lange angenommen von einem Raubsaurier, sondern von einem Pflanzenfresser aus der Gruppe der Ornithopoden. Das ergab eine neue Analyse mittels künstlicher Intelligenz. In Zukunft könnte diese Methode auch bei anderen Dinosaurier-Fußspuren angewandt werden und weitere falsche Zuordnungen offenbaren.
Versteinerte Fußspuren von Dinosauriern sind besonders aufschlussreiche Funde. Sie verraten nicht nur, welche Arten einst durch die Landschaft stapften, sondern enthüllen auch allerhand über Verhalten und Lebensweise der Urzeitriesen. Dino-Fährten verraten uns zum Beispiel, dass die prähistorischen Reptilien auch in der Arktis lebten, dass Langhals-Dinosaurier weiche Fersenpolster hatten oder dass sich manche Arten in „Reisegruppen“ zusammenschlossen.
Doch welcher Fußabdruck von welchem Dinosaurier hinterlassen wurde, lässt sich nicht immer so genau sagen. Neuanalysen alter Fährten können bisherige Erkenntnisse revidieren. So stellte sich 2021 beispielsweise heraus, dass 220 Millionen Jahre alte Fußabdrücke fälschlicherweise als Überbleibsel eines riesigen australischen Raubsauriers interpretiert wurden, obwohl sie stattdessen einem Vorfahren der Sauropoden gehörten. Aufgedeckt wurde dies von einem Team um Anthony Romilio von der University of Queensland.
Lief hier ein großer Raubsaurier entlang?
Und auch jetzt hat „Myth Buster“ Romilio wieder dazu beigetragen, australische Dinospuren ihrem rechtmäßigen Besitzer zuzuordnen. Gemeinsam mit Erstautor Jens Lallensack von der John Moores University Liverpool und einem weiteren Kollegen untersuchte er dafür die berühmte Fährtenfundstelle „Dinosaur Stampede National Monument“ im australischen Queensland noch einmal neu.
Dort ist eine Spur mit großen, rund 30 bis 40 Zentimeter langen Fußabdrücken konserviert, die von tausenden viel kleineren Abdrücken umgeben ist. Die Fährte stammt aus der mittleren Kreidezeit vor etwa 93 Millionen Jahren. „Viele Jahre lang glaubte man, dass die großen Abdrücke von einem Raubsaurier wie dem Australovenator stammen, der fast zwei Meter lange Beine hatte“, so Romilio. Die winzigen Spuren hätten wiederum vermuten lassen, „dass dieses Raubtier einen Ansturm kleinerer Dinosaurier ausgelöst haben könnte.“
Doch nicht jeder Paläontologe war von dieser These überzeugt. So berichtet Lallensack, dass es selbst innerhalb ihres dreiköpfigen Forscherteams drei verschiedene Meinungen hinsichtlich der großen Abdrücke gegeben habe: Er selbst sei unentschlossen gewesen, während Romilio auf einen Pflanzenfresser und der dritte im Bunde auf einen Raubsaurier getippt habe.
Künstliche Intelligenz als Spurenleser
Um endgültig Klarheit in die Urheber dieser Spuren zu bringen, sind die Paläontologen nun neue Wege gegangen. Sie setzten zusätzlich auf ein Computer-Programm mit künstlicher Intelligenz. Bevor das Programm mit den fraglichen Fährten konfrontiert wurde, musste es zunächst lernen, verschiedene Dinosaurier-Fußabdrücke voneinander zu unterscheiden.
Dafür trainierten die Wissenschaftler es mit 1.500 Spuren von Raubsauriern (Theropoden) und Ornithopoden. Die Ornithopoden sind eine Untergruppe der pflanzenfressenden Vogelbeckensaurier. Zu ihnen gehörten unter anderem die Entenschnabelsaurier. Die meisten Ornithopoden liefen ähnlich wie die räuberischen Theropoden auf zwei Beinen und hatten dreizehige Füße. Dementsprechend kann es bei der Interpretation von Fußabdrücken durchaus zu Verwechselungen zwischen den beiden Gruppen kommen.
Es war doch ein Pflanzenfresser
Genau dies ist offenbar auch bei der Interpretation der Spuren vom Dinosaur Stampede National Monument passiert, denn: Anders als bisherige Studien ordnete die künstliche Intelligenz die meisten Abdrücke dieser Fährte klar einem Ornithopoden statt einem Raubsaurier zu. Zusätzliche dreidimensionale Modelle der Abdrücke könnten diese Zuordnung noch eindeutiger machen, so die Forscher.
Romilio und seine Kollegen sind überzeugt von den Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz. In ihren Tests schnitt das KI-System deutlich besser ab als menschliche Dino-Experten. Die Software identifizierte 86 Prozent der ihr vorgelegten Spuren korrekt, während Paläontologen auf durchschnittlich 57 Prozent kamen. Das Forscherteam möchte die Software deshalb auch künftig bei weiteren Dinosaurier-Fußspuren anwenden und sie dafür weiterentwickeln. (Journal of the Royal Society, 2022, doi: 10.1098/rsif.2022.0588)
Quelle: University of Queensland