Frühe Flugkünstler: Fliegende Dinosaurier steuerten ihre Flugbewegungen mit einem zweigeteilten System aus Schulter und Brustkorb, wie eine Studie zeigt. Damit bestätigt sich, dass sie anders als moderne Vögel beim Fliegen nicht ausschließlich auf die Brustmuskulatur setzten, sondern die Auf- und Abwärtsschläge der Flügel stattdessen mit unterschiedlichen Muskelgruppen steuerten. Ihr Aufwärtsschlag war dabei wahrscheinlich stärker als der Abwärtsschlag.
Moderne Vögel haben eine ausgeprägte Brustmuskulatur, die ihre Flügel beim Fliegen auf und ab bewegt. War das bei fliegenden Dinosauriern (Paraves) wie Archaeopteryx ähnlich? Die Analyse ihrer Knochen und der anatomische Vergleich mit heutigen Vögeln sprechen eher dagegen. Paläontologen vermuten, dass diese Vogelvorfahren stattdessen flogen, indem die Schultermuskeln ihre Flügel aufwärts und die Brustmuskeln sie abwärts bewegten. Ob dem tatsächlich so war, können allerdings nur Analysen von versteinertem Weichgewebe final bestätigen.
Leuchtende Fossilien
Genau diese Analysen haben Forschende um Michael Pittman von der Universität Hongkong nun durchgeführt. Sie bestrahlten dazu die Fossilien von mehr als 1.000 fliegenden Dinosauriern mit blauem Laserlicht. Diese Methode der laserstimulierten Fluoreszenz regt die Atome in den versteinerten Geweben an und erzeugt ein fluoreszierendes Leuchten. Je nach Gewebe hat das Leuchten eine andere Farbe.
Bei einigen dieser Vogelvorfahren und Urvögel, darunter Microraptor, Anchiornis, Archaeopteryx und Confusciornis, konnten Pittman und seine Kollegen fossile Haut- und Muskelreste identifizieren und die Ränder des Weichteilgewebes in Schulter und Brust abgrenzen. Durch Kombination dieser anatomischen Erkenntnisse mit Skelettrekonstruktionen der frühen Flugkünstler gelang es ihnen, mehr über die Mechanismen hinter ihrem prähistorischen Flug zu erfahren.
Aufwärtsgerichteter Flug durch zweigeteilte Muskulatur
Das Ergebnis: Beim Fliegen arbeiteten die Paraves tatsächlich sowohl mit Brust- als auch mit Schultermuskeln und grenzten sich in dieser Hinsicht deutlich von modernen Vögeln ab. Die laserstimulierte Fluoreszenz enthüllte bei den fliegenden Dinosauriern eine „stark ausgeprägte Schulter“ und einen „schwächer ausgeprägten Brustkorb“, was laut Forschenden darauf schließen lässt, dass die Flugbewegung zweigeteilt war. Die Schultermuskeln sorgten für den Aufwärts- und die Brustmuskeln für den Abwärtsschlag der Flügel.
Da der Brustkorb aber deutlich rudimentärer war als die Schulter, waren diese beiden Teilbewegungen wahrscheinlich nicht gleich stark ausgeprägt. Durch den schmalen Brustkorb konnten die fliegenden Dinosaurier mit ihren Flügeln vermutlich nur eingeschränkt abwärts, dank der starken Schulter aber dafür umso besser aufwärts schlagen, so die Paläontologen. Daraus ergab sich ein aufwärtsgerichteter Flug.
Bei manchen frühen Fliegern wie Archaeopteryx oder Anchiornis sei die Brustmuskulatur durch dieses Ungleichgewicht sogar so stark verkümmert, dass die Tiere nicht einmal mehr ein Brustbein besaßen. Das Brustbein gilt als zentraler Ankerpunkt für die Flugmuskulatur.
Vom Aufwärtsdrall bis zum fehlenden Brustbein: Die Arbeit von Pittmann und seinen Kollegen bietet damit neue Einblicke in die Flugmechanismen prähistorischer Flieger. Damit „füllt sie wichtige Lücken in unserem Verständnis des frühen Paraves-Fluges vor dem modernen brustgesteuerten Flugsystem“, fassen die Autoren zusammen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022, doi: 10.1073/pnas.2205476119)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences