Der Raub-Dinosaurier Microraptor hatte nicht nur Federn und vier Flügel – er konnte damit auch schon abheben und gleiten. Das zeigt ein ungewöhnlicher Test britischer Forscher: Sie bauten ein naturgetreues Modell des Dinos und prüften seine Flugkünste dann im Windkanal. Das Ergebnis: Trotz seiner aerodynamisch eher ungünstigen Form erzeugten die Flügel des Dinos so viel Auftrieb, dass er damit problemlos längere Strecken gleiten konnte, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Dinosaurier sind die Vorfahren der heutigen Vögel, so viel ist klar. Wie aber der Übergang vom zweibeinig laufenden Dino zum fliegenden Vogel genau vonstattenging, ist bis heute umstritten. Vor allem in den letzten Jahren haben Paläontologen in China zahlreiche verblüffend vogelähnliche Dinosaurier entdeckt. Einer von ihnen ist der in der frühen Kreidezeit lebende Microraptor. Dieser flinke Raubdinosaurier trug sowohl an allen vier Beinen und am Schwanz lange, dichte Federn. Viele Forscher vermuten deshalb, dass Microraptor nicht nur lief, sondern bereits als eine Art Vierflügel-Gleiter kleinere Strecken flog. Ob Microraptor allerdings wirklich flugtauglich war, darüber wird heftig gestritten.
Großer Auftrieb
Forscher der University of Southampton haben nun die Probe aufs Exempel gemacht: Sie bauten ein lebensgroßes, anatomisch korrektes Modell des Microraptor samt aller Federn und Flügel und steckten diesen Ersatzdino kurzerhand in den Windkanal. Dabei zeigte sich, dass die vier Flügel des Dinosauriers trotz ihrer aerodynamisch eher ungünstigen Form so viel Auftrieb erzeugen, dass er problemlos gleiten kann. Selbst von einem niedrigen Startpunkt aus, wie beispielsweise einem Busch oder Baumast, könnte er so längere Strecken ohne viel Geflatter durch die Luft gesegelt sein.
„Wir zeigen, dass der Microraptor keine komplizierte, ‚moderne‘ Flügel-Morphologie benötigte, um effektiv zu gleiten“, erklärt Koautor Gareth Dyke von der University of Southampton. Seine Flügel erzeugten ausreichend Auftrieb, um den Dinosaurier unabhängig von seiner Flügelform in der Luft zu halten. Veränderten die Forscher an ihrem Modell die Form der Flügel oder gefiederten Beine, änderte dies kaum etwas an der Gleitfähigkeit des Dinosauriers.
Das passt ihrer Ansicht nach zu der Hypothese, dass die Dinosaurier ihre Federn und Flügel zunächst nicht für einen aerodynamisch optimierten Flug entwickelten, sondern eher, um kürzere Strecken gleiten zu können oder vielleicht auch, um ihren Lauf zu stabilisieren. Erst später bei den Vögeln wurde das Design dann so optimiert, dass sie sowohl gleiten als auch effektiv fliegen konnten.
(University of Southampton, 18.09.2013 – NPO)