Medizin

Doch kein Mehrwert durch Bildschirm-Brillen?

Blaulichtfilter helfen weder gegen Augenermüdung noch Schlafstörungen

Bildschirm-Brille
Entgegen der Hersteller-Versprechen sind Brillen mit Blaulichtfilter offenbar doch kein Wundermittel gegen müde Augen. © Vadym Plysiuk/ Getty Images

Kein blaues Wunder? Bildschirmbrillen mit Blaulichtfilter, die für das Arbeiten am PC empfohlen werden, bringen offenbar keinen großen Mehrwert, wie eine Meta-Analyse der Cochrane-Kollaboration enthüllt. Demnach verringert der in die Gläser integrierte Blaulichtfilter weder die Belastung der Augen noch führt er zu einer besseren Schlafqualität. Ob er langfristig vor Netzhautschäden schützt, ist allerdings noch unklar.

Brillen mit Blaulichtfilter, sogenannte Digital- oder Bildschirmbrillen, werden immer beliebter. Die Hersteller werben meist damit, dass ihr Produkt das blaue Licht aus den LED-Bildschirmen von Computern und Handys herausfiltert und dadurch eine Wohltat für unsere Augen ist. Angeblich ermüden diese dank Blaulichtfilter nicht mehr so schnell und werden außerdem vor Netzhautschäden geschützt.

Überdies sollen die Digital-Brillen den Schlaf verbessern, weil sie uns vor der wachmachenden Wirkung des blauen Lichts abschirmen. Doch wissenschaftliche Studien, die diese Werbeversprechen überprüft haben, sind bislang Mangelware.

Filter oder Fake?

Um ein eindeutiges Urteil im Fall der Bildschirmbrillen fällen zu können, haben Forschende der Cochrane-Kollaboration um Sumeer Singh von der University of Melbourne nun die besten verfügbaren Erkenntnisse zum Thema gesammelt und in einer Meta-Analyse ausgewertet. Insgesamt flossen 17 randomisierte kontrollierte Studien aus sechs Ländern in die Auswertung mit ein.

Der Aufbau der Studien war jeweils ähnlich: Die eine Hälfte der Teilnehmer sollte über einen bestimmten Zeitraum hinweg Digital-Gläser tragen, die andere nicht. Parallel untersuchten die Forschenden dann, wie sich der Blaulichtfilter beziehungsweise dessen Fehlen auf die Ermüdbarkeit der Augen und die Schlafqualität auswirkte. Der längste Untersuchungszeitraum dieser Art dauerte fünf Wochen an.

Digital-Brille bringt keinen Mehrwert

Das Ergebnis: In keiner der Studien profitierten die Träger einer Digital-Brille merklich von dem Blaulichtfilter vor ihren Augen, wie Singh und seine Kollegen berichten. Demnach konnte weder nachgewiesen werden, dass die Studienteilnehmer durch ihn insgesamt besser schliefen, noch dass ihre Augen nach der Computernutzung weniger stark ermüdet waren.

Die meisten Versprechen der Bildschirmbrillen-Anbieter stufen die Forschenden daher als „nicht schlüssig und unsicher“ ein. „Unsere Ergebnisse sprechen nicht für die Verschreibung von Blaulichtfilterlinsen für die Allgemeinbevölkerung“, fasst Singhs Kollegin Laura Downie zusammen.

Minimale Filterwirkung

Dass die Blaulichtfilter keine nennbaren Effekte erzielten, könnte unter anderem daran liegen, dass Digital-Gläser nicht das komplette Licht des blauen Wellenbereichs herausfiltern, sondern lediglich zehn bis 25 Prozent. „Würde mehr blaues Licht herausgefiltert, müssten die Brillengläser eine deutliche Bernsteintönung aufweisen, was die Farbwahrnehmung erheblich beeinträchtigen würde“, erklärt Singh.

Außerdem wird die Menge an blauem Licht, das durch Nutzung digitaler Medien oder das Fernsehen täglich in unsere Augen gelangt, häufig überschätzt. Laut Singh macht das künstliche Licht von Computerbildschirmen und Co. im Vergleich zu natürlichem Tageslicht gerade einmal ein Tausendstel aus.

Weitere Forschung nötig

Weiterhin unklar sind allerdings die Langzeiteffekte von Blaulichtfiltern. Da die längste der untersuchten Studien gerade einmal fünf Wochen dauerte, können Singh und sein Team nicht abschätzen, ob Blaulichtfilter langfristig zum Beispiel vor Netzhautschäden schützen.

Die kurze Dauer der bisherigen Studien ist jedoch nicht ihr einziger methodischer Mangel. Auch nahmen oft nur wenige Probanden an ihnen teil und die gehörten wiederum sehr homogenen Personengruppen an. Ob die Filter möglicherweise etwa Menschen mit speziellen Vorerkrankungen helfen könnten, bleibt daher offen. Singh und sein Team plädieren daher für weitere Studien mit ausgebügelten Mängeln. (Cochrane Database of Systematic Review, 2023; doi: 10.1002/14651858.CD013244.pub2

Quelle: Cochrane

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