Überraschendes Rezept gegen Jetlag: Die innere Uhr reagiert nicht nur auf Licht, sondern auch auf den Sauerstoffgehalt der Luft. Verändert sich dieser, dann wirkt dies als Taktgeber, wie Forscher herausfanden. Im Experiment passten sich Mäuse schneller an eine Zeitverschiebung an, wenn sie vorübergehend in sauerstoffärmerer Luft lebten. Die dünne Luft in Flugzeugen könnte demnach sogar mildernd auf den Jetlag wirken.
Unsere innere Uhr bestimmt eine Vielzahl unserer Körperprozesse, von den Hormonen über den Stoffwechsel bis hin zum Immunsystem. Doch gerät dieser Rhythmus aus dem Takt, beispielsweise durch Schichtarbeit oder Jetlag, dann hat dies Folgen: Wir fühlen uns zerschlagen und auf Dauer kann sogar unsere geistige und körperliche Gesundheit leiden.
Einen überraschenden Helfer gegen den Jetlag könnten jetzt Gad Asher vom Weizmann Institute of Science in Rehovot und seine Kollegen entdeckt haben. Sie hatten beobachtet, dass der Sauerstoffgehalt im Blut von Mäusen im Tagesrhythmus schwankt. Ihre daraus abgeleitete Idee: Vielleicht lässt sich die innere Uhr durch einen Wechsel des Sauerstoffgehalts der Luft beeinflussen und sozusagen „austricksen“.
Sauerstoffgehalt als Taktgeber
Im ersten Schritt testen die Forscher ihre Hypothese an Mäusezellen in Kultur. Eine Hälfte der Kulturen wurden bei einem konstanten Sauerstoffgehalt von acht Prozent gehalten, die andere Hälfte im zwölfstündigen Wechsel von fünf und acht Prozent. Alle vier Stunden kontrollierten die Wissenschaftler die Aktivität der Uhrengene in den Zellen.
Und tatsächlich: Nur die Uhrengene der im Wechselregime kultivierten Zellen entwickelten einen deutlichen und untereinander synchronen Tag-Nacht-Rhythmus. Die Zellen unter konstanter Atmosphäre dagegen nicht. „Es war sehr aufregend zu sehen, dass selbst so kleine Veränderungen des Sauerstoffgehalts ausreichten, um die innere Uhr effektiv zu stellen“, sagt Asher.
„Dünne Luft“ hilft Jetlag-Mäusen
Aber funktioniert dies auch im lebenden Tier? Um das herauszufinden, setzen sie eine Gruppe von Mäusen einem künstlichen Jetlag aus: Sie verschoben abrupt ihren normalen Wechsel von zwölf Stunden hell und zwölf Stunden dunkel um sechs Stunden nach vorn. Normalerweise haben die Mäuse dann – ähnlich wie wir – Probleme, sich in ihren typischen Aktivitätsrhythmus einzupendeln.
Doch das änderte sich, wenn die Mäuse in den zwölf Stunden vor der Zeitverschiebung in etwas „dünnerer Luft“ lebten – bei 16 statt wie normal 21 Prozent Sauerstoff. Erlebten sie dann den Jetlag, passten sie sich deutlich schneller an den neuen Rhythmus an, wie die Forscher berichten. Als ähnlich wirksam erwies sich eine nur zweistündige Phase „dünner Luft“ unmittelbar nach der Zeitverschiebung.
Die Forscher schließen daraus, dass Sauerstoff ein wichtiger Schlüsselreiz für die innere Uhr ist – und das vermutlich auch beim Menschen. Denn der Stoffwechselweg, über den der Sauerstoff auf die Zellen wirkt, ist bei Maus und Mensch gleich.
Konsequenzen für Flugreisen
Sollte sich dies bestätigen, dann könnte dies für Flugreisen praktische Konsequenzen haben. Denn bisher wird der Kabinendruck im Flugzeug so heruntergeregelt, dass er etwa dem Luftdruck in 2.000 Metern Höhe entspricht. Der Sauerstoffgehalt ist dadurch verringert und liegt bei etwa 16 Prozent. Weil einige Passagiere dies aber nicht gut vertragen, überlegen Fluggesellschaften, dies künftig zu ändern und den Kabinendruck auf die normalen 21 Prozent Sauerstoff zu erhöhen.
Angesichts der neuen Erkenntnisse jedoch halten Asher und seine Kollegen dies für kontraproduktiv. Denn der während des Fluges veränderte Sauerstoffgehalt hilft uns wahrscheinlich sogar dabei, den späteren Jetlag schneller zu überwinden. „Angesichts der positiven Effekte eines reduzierten Sauerstoffgehalts auf den Jetlag sollten die Fluggesellschaften daher ihre Pläne noch einmal überdenken“, sagen Asher und seine Kollegen.
Die Wissenschaftler wollen als nächstes testen, ob vielleicht auch eine Phase erhöhter Sauerstoffwerte ähnlich positive Effekte hat. „Ich glaube, dass Flugpassagiere sicher begeisterter darüber sind, wenn sie gegen Jetlag sauerstoffreichere Luft einatmen sollen als eine sauerstoffärmere“, meint Asher. (Cell Metabolism, 2016; doi: 10.1016/j.cmet.2016.09.014)
(Cell Press, 21.10.2016 – NPO)