Biologie

Eichelhäher beherrschen die mentale Zeitreise

Erinnerung an zufällig aufgeschnappte Details deutet auf ein episodisches Gedächtnis hin

Eichelhäher
Eichelhäher merken sich nicht nur ihre Futterverstecke – sie haben auch die Fähigkeit zur mentalen Zeitreise. © StockPhotoAstur/ iStock

Schlaue Vögel: Eichelhäher können sich nicht nur merken, wo sie Futter versteckt haben – sie besitzen dabei auch die Fähigkeit zur mentalen Zeitreise, wie ein Experiment belegt. Demnach können die Vögel sich auch zufällige, nicht explizit gelernte Eindrücke wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Diese Fähigkeit zur Erinnerung an zufälliges „Beiwerk“ gilt als Indiz für eine episodisches Gedächtnis – und damit für eine lange als nur menschentypisch angesehene Fähigkeit.

Krähen, Raben und auch die mit ihnen verwandten Häher gelten als die Schlaumeier unter den heimischen Vögeln. Sie nutzen Werkzeuge, können zählen, Memory spielen und verfügen über ein komplexes Sozialverhalten. Sogar vorausschauendes Planen beherrschen die schlauen Vögel. Von einigen Hähern ist zudem bekannt, dass sie sich nicht nur an ihre Futterverstecke erinnern – sie wissen sogar noch genau, welches Futterdepot am schnellsten verdirbt, und leeren dieses daher als erstes.

Haben Tiere ein episodisches Gedächtnis?

Wie es bei den Vögeln jedoch mit einer besonders anspruchsvollen Form des Erinnerns aussieht, haben nun James Davies von der University of Cambridge und sein Team näher untersucht: der mentalen Zeitreise. „Dies bezeichnet die Fähigkeit, mental in die Vergangenheit zurückzublicken und sich vergangene Ereignisse wieder ins Gedächtnis zu rufen“, erklären sie. Diese Fähigkeit gilt als Basis des episodischen Gedächtnisses und wurde Tieren lange abgesprochen.

Das Problem: „Der Beweis für ein solches bewusstes Zurückerinnern ist bei uns Menschen eng an sprachbasierte Berichte geknüpft. Wie sich diese Fähigkeit mit nichtlinguistischen Mitteln belegen lässt, ist jedoch strittig“, sagen Davies und seine Kollegen. Daher blieb bisher unklar, ob auch Krähenvögel und im Speziellen Häher solche mentalen Zeitreisen absolvieren können, auch wenn es erste Hinweise darauf gab.

Mentale Zeitreise und Zufalls-Erinnerungen

Deshalb haben Davies und sein Team nun ein Experiment entwickelt und durchgeführt, das einen Baustein der mentalen Zeitreise nachweisen kann: das zufällige Merken. Was dies bedeutet, erklären die Biologen so: „Wenn wir Menschen uns an eine bestimmte Erfahrung erinnern, fallen uns oft auch Details des Ereignisses ein, die damals für uns unwichtig waren“, so das Team. Denke wir beispielsweise an den letzten Einkauf im Supermarkt zurück, sehen wir vor unserem inneren Auge auch nebensächliche Informationen wie die Hemdfarbe des Kassierers oder das Flackern einer Leuchtstoffröhre.

Um herauszufinden, ob auch Häher zufällige Informationen speichern und wieder abrufen können, testeten die Biologen dies mit sieben Eichelhähern (Garrulus glandarius). Diese waren eigentlich darauf trainiert, sich zu merken, unter welchem von mehreren identisch aussehenden Bechern in ihrem Beisein ein Futterstück platziert wurde. Entscheidend für den Erfolg war dabei nur die Position des Bechers in der Reihe.

Wenn Unwichtiges wichtig wird

Dann variierten die Forschenden die Aufgabe: Die Becher trugen nun optische Kennzeichen in Form von bunten, geometrischen Formen – dennoch war zunächst wieder nur ihre Position entscheidend. Die Muster waren damit eine für die Vögel und ihre Aufgabe zunächst irrelevante Information. Das änderte sich jedoch, als Davies und sein Team nun die Versuchsanordnung so änderten, dass nun das Futterstück immer unter einem Becher mit bestimmtem Muster lag – ungeachtet seiner Position.

Würden die Eichelhäher sich in der Rückschau daran erinnern, welches Muster der Becher mit dem Futter trug? Es zeigte sich: Lag das Futterstück nicht an der erwarteten Position, suchten die Vögel in immerhin 70 Prozent der Fälle unter dem Becher mit der richtigen Kennzeichnung. „Dies legt nahe, dass die Eichelhäher sich auch an Details erinnern, die zum Zeitpunkt des Merkens keinen besonderen Wert für sie hatten“, so die Biologen.

Eichelhäher können zurückblicken

Nach Ansicht von Davies und seinen Kollegen legt dies nahe, dass auch Eichelhäher eine Form der mentalen Zeitreise beherrschen: Wenn sie sich an etwas erinnern, tauchen auch zufällige Details vor ihrem geistigen Auge auf – ähnlich wie bei uns Menschen. „Dies ist eine Fähigkeit, die unserem episodischen Gedächtnis nahekommt“, so die Biologen. Sie vermuten, dass die Häher diese fortgeschrittene Form des Gedächtnisses im Rahmen ihres Futterversteckens entwickelt haben.

Die mentale Zeitreise könnte es den Vögeln beispielsweise erleichtern, sich an die Art des Futters zu erinnern und damit an dessen voraussichtliche Haltbarkeit. Auch beim Ausräubern der Futterverstecke von Artgenossen kommt den Vögeln ihr gutes Detailgedächtnis zugute. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0301298)

Quelle: PLOS

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