Tierischer Lauschangriff: Eichhörnchen reagieren nicht nur auf Alarmsignale von Vögeln, sondern auch auf deren sorgloses Gezwitscher. Wie ein Experiment zeigt, entspannen sich die Nager nach einer Gefahrensituation schneller, wenn von gefiederten Arten solche Laute zu hören sind. Das Gezwitscher dient ihnen demnach als Indiz für „reine Luft“.
Viele Vögel stoßen schrille Alarmrufe aus, um ihre Artgenossen vor Feinden zu warnen. Doch auch andere Tierarten werden hellhörig, wenn diese Schreie ertönen. So erkennen afrikanische Grünmeerkatzen beispielsweise die Warnrufe von Staren. Und Eichhörnchen wie das Grauhörnchen reagieren sogar auf das Gezeter mehrerer Vogelarten, wenn Gefahren wie nahende Raubvögel drohen.
„Neben Alarmrufen können jedoch auch Signale, die Sicherheit bedeuten, informativ für die Tiere sein“, erklären Marie Lilly vom Oberlin College in Ohio und ihre Kollegen. „Erst wenige Studien haben sich mit solchen Nicht-Alarmsignalen beschäftigt, die tierischen Lauschern als Indiz für die Gefahrenlage dienen könnten.“
Gefahr vom Tonband
Reagieren Eichhörnchen zum Beispiel auch auf entspanntes Gezwitscher von Vögeln? Um dies herauszufinden, haben die Wissenschaftler nun das Verhalten von 54 wilden Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) in Parks in Ohio beobachtet. Für ihr Experiment spielten sie zunächst Aufnahmen von Rotschwanzbussard-Rufen (Buteo jamaicensis) ab – dieser Raubvogel macht sowohl Beute auf Eichhörnchen als auch auf kleine Vögel.
Auf diese Rufe folgten Hintergrundgeräusche vom Band. Einmal war dabei auch das sorglose Gezwitscher mehrerer Vogelarten zu hören, ein anderes Mal kamen in der Aufnahme keine solchen Laute vor. Wie würden die Grauhörnchen reagieren?
Schneller wieder entspannt
Es zeigte sich: Wie erwartet versetzte der Ruf des Bussards die Nager merklich in Alarmbereitschaft. So erstarrten sie in ihrer Bewegung, schauten nach oben oder flüchteten, nachdem sie den Laut gehört hatten. Das Interessante: Eichhörnchen, die danach Vogelgezwitscher zu hören bekamen, entspannten sich deutlich schneller und legten rascher wieder normales Verhalten an den Tag. Ohne das Signal der Vögel blieben sie dagegen länger auf der Hut.
Damit scheint nach Ansicht der Forscher klar, dass die Tiere das Gezwitscher unterschiedlicher Vogelspezies deuten können. Sie erkennen diese Laute demnach als Indiz dafür, dass die Vögel entspannt sind und somit keine akute Gefahr besteht. „Unter manchen Bedingungen sind Signale der Sicherheit womöglich genauso wichtig für die Tiere wie Gefahrensignale“, konstatieren Lilly und ihr Team.
Überdeckt durch Menschenlärm?
Andere Tiere zu belauschen, könnte für die Eichhörnchen gerade in von Menschen geprägten Umgebungen jedoch immer schwieriger werden. Denn der zunehmende Geräuschpegel in der Stadt stört nachweislich die Kommunikation zwischen Arten, indem er wichtige Laute wie Alarmrufe überdeckt.
„Die relativ leisen Zwitscherlaute könnten sogar noch anfälliger für die Überdeckung durch menschengemachten Lärm sein als laute Alarmrufe“, betonen die Wissenschaftler. Dies könne dazu führen, dass Eichhörnchen und andere Lauscher mehr Energie in Wachsamkeitsverhalten investieren und darunter zum Beispiel die Nahrungssuche leidet. (PLOS One, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0221279)
Quelle: PLOS