Mächtiger Hornträger: An der US-kanadischen Grenze haben Paläontologen einen gewaltigen gehörnten Dinosaurier aus der Zeit vor 78 Millionen Jahren entdeckt. Das Lokiceratops rangiformis getaufte Tier war mit 6,70 Metern Länge der größte Ceratopsier seiner Zeit und hatte zwei auffallend lange, klingenförmige Hörner an seinem Nackenschild – die größten je bei einem Dinosaurier dieser Gruppe entdeckten. Gleichzeitig deutet der Fund auch auf eine unterschätzte Artenvielfalt dieser Dinosaurier hin, wie das Team berichtet.
Ihre massiven Nackenschilde und vielfältig geformten Hörner machten Ceratopsier wie den Triceratops einst zu einem besonderen Blickfang unter den Dinosauriern. Die ersten Vertreter dieser gehörnten, pflanzenfressenden Riesen tauchten in der späten Kreidezeit vor rund 92 Millionen Jahren auf und entwickelten rasch eine enorme Vielfalt. Ein regelrechter Ceratopsier-Hotspot war dabei der Inselkontinent Laramidia, der heute den westlichen Teil der USA bildet. Dort haben Paläontologen bereits vier verschiedene Spezies der gehörnten Dinosaurier gefunden, die dort vor 78 Millionen Jahren gemeinsam lebten.
Der größte Hornträger seiner Zeit
Nun hat diese ohnehin sehr vielfältige Lebensgemeinschaft unerwartet noch weiteren Zuwachs bekommen. Im äußersten Norden des US-Bundesstaates Montana, nur wenige Kilometer von der kanadischen Grenze entfernt, haben Paläontologen um Mark Loewen von der University of Utah einen fünften Laramidia-Ceratopsier aus der Zeit vor 78 Millionen Jahren entdeckt.
Von dem Lokiceratops rangiformis getauften Dinosaurier sind Teile des Skeletts und vor allem dessen massiver Schädel erhalten – die Visitenkarte eines Ceratopsiers. Besonders beeindruckend: Mit einer Länge von 6,70 Metern und einem Gewicht von fünf Tonnen war er der größte gehörnte Dinosaurier seiner Zeit, wie Loewen und seine Kollegen berichten.
Hörner wie Klingen
Anders als die meisten seiner Verwandten besaß Lokiceratops kein Nasenhorn, dafür aber zwei lange Stirnhörner und zwei riesige, geschwungene Hörner an der Rückseite seines Nackenschilds – die größten, die je bei einem gehörnten Dinosaurier gefunden wurden. „Dieser neue Dinosaurier verschiebt damit die Grenzen des bizarren Kopfschmucks der Ceratopsier“, sagt Koautor Joseph Sertich von der Colorado State University. „Seine Schädelornamente demonstrieren, dass die evolutionäre Selektion für diesen auffallenden Körperschmuck zur enormen Vielfalt der kreidezeitlichen Ökosysteme beitrug.“
Da die langen Nackenhörner das Team an die Klingen des nordischen Gottes Loki erinnerten, benannten sie den Dinosaurier kurzerhand nach ihm. Der Artname „rangiformes“ wiederum bedeutet „geformt wie ein Karibu“ und bezieht sich auf zwei kleinere Hörner in der Mitte des Nackenschildes, die auf jeder Seite unterschiedlich lang sind – so wie die Geweihe von Karibus und Rentieren.
Fünf gehörnte Dinos an einem Fleck
Was die Paläontologen jedoch fast noch mehr verblüfft als die imposanten Hörner von Lokiceratops, ist die Tatsache, dass er sich seinen Lebensraum – eine subtropische Küstenebene mit Wäldern, kleinen Seen und Sümpfen entlang der Ostküste von Laramidia – mit vier weiteren gehörnten Dinosauriern teilte. „Bisher gingen Paläontologen davon aus, dass höchstens zwei Arten von gehörnten Dinosauriern am selben Ort und zur selben Zeit existieren können“, erklärt Loewen.
Dass Lokiceratops trotzdem mit Judiceratops, Albertaceratops, Medusaceratops und Wendiceratops koexistierte, deutet den Paläontologen zufolge daraufhin, dass die Vielfalt der gehörnten Dinosaurier bislang unterschätzt wurde und dass sie sich anders als gedacht doch nicht so gut mit den geografischen Verbreitungsmustern moderner Säugetiere vergleichen lässt.
Evolution im Eiltempo
Aus der großen Ceratopsier-Vielfalt in Laramidia schließt das Team außerdem, dass in der Kreidezeit neue gehörnte Arten im Rekordtempo entstanden sein müssen, wie Loewen verdeutlicht: „Eine schnelle Evolution könnte zu dem 100- bis 200-tausendjährigen Wechsel einzelner Arten dieser gehörnten Dinosaurier geführt haben.“
Der wahrscheinlichste Auslöser für diese Evolution im Eiltempo liegt laut Paläontologen in der sexuellen Selektion der Tiere. Ähnlich wie Hirsche potenziellen Partnerinnen mit einem großen verästelten Geweih imponieren und Vögel ihre Weibchen mit schrillen Federkleidern auf sich aufmerksam machen, könnten auch die Ceratopsier durch immer bizarrere Hornformen und -größen ihren Paarungserfolg gesichert haben. Im Laufe der Zeit entstanden durch dieses Wettrüsten dann neue Spezies. (PeerJ, 2024; doi: 10.7717/peerj.17224)
Quelle: University of Utah, Colorado State University