Kleine Proteine der Ubiquitin-Familie arbeiten wie molekulare Schalter und regulieren viele zelluläre Funktionen. Max-Planck-Forscher haben jetzt herausgefunden, dass das Eiweiß Hub1 dieser Familie einen wichtigen Einfluss auf die Proteinsynthese hat: Es beeinflusst, wie Zellen die in den Genen kodierte Information übersetzen. Dank Hub1 kann ein Gen sogar die Informationen für zwei Proteine liefern.
So entstehen mehr Proteine, als Gene vorhanden sind. Dieser Mechanismus könnte auch die Proteinproduktion beim Menschen beeinflussen und daher viele Auswirkungen auf gesunde aber auch kranke menschliche Zellen haben, berichten die Wissenschaftler jetzt in „Nature“.
„Zelluläre Mühle“
Jede Zelle verfügt über eine große Zahl an Proteinen, die maßgeblich die Lebensfunktionen steuern. Dabei übernimmt jedes Protein spezielle Aufgaben, die durch nachträgliche Modifikationen der Proteine jedoch verändert werden können. Besonders faszinierend sind Fälle, in denen Eiweiße durch das chemische Anknüpfen kleiner Proteine der Ubiquitin-Familie verändert werden. Ubiquitin wurde in den 1970er Jahren entdeckt und ist als Etikett für den Abbau bekannt: Proteine, die mit Ubiquitin verknüpft sind, können durch eine „zelluläre Mühle“ zerkleinert werden.
Hub1 im Visier der Forscher
Wissenschaftler im Labor von Stefan Jentsch am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried bei München identifizierten und untersuchten jetzt Hub1, ein ungewöhnliches Mitglied der Ubiquitin-Familie. Obwohl Hub1 eine ähnliche Struktur wie Ubiquitin und andere Familienmitglieder aufweist, arbeitet es offenbar auf völlig andere Weise. Denn Shravan Kumar Mishra vom MPIB fand heraus, dass Hub1 fest, aber nicht chemisch verknüpft an das hoch konservierte Protein Snu66 bindet.
Dieses Protein ist Bestandteil einer bestimmten zellulären Maschine – Spleißosom -, das Segmente der Boten-RNA (mRNA) herausschneidet und die übrig gebliebenen Teile wieder zusammenklebt. Diesen Prozess nennen Wissenschaftler „Spleißen“.
„Alternatives Spleißen“
Da mRNA-Moleküle die genetischen Informationen von den Chromosomen zu den zellulären Proteinfabriken – Ribosomen – transportieren, wo sie in Proteine übersetzt werden, kann das Spleißen der mRNA die Proteinzusammensetzung einer Zelle signifikant verändern. Mishra und Kollegen konnten jetzt aufdecken, dass das Binden von Hub1 an Snu66 die Eigenschaften des Spleißosoms entscheidend verändert: Mit Hub1 kann es auch auf mRNAs wirken, die normalerweise nicht zugeschnitten werden.
In manchen Fällen können durch Hub1 modifizierte Spleißosome sogar zwei verschiedene mRNAs aus nur einem Gen bilden. Das sogenannte „alternative Spleißen“ liefert die Informationen für zwei verschiedene Proteine aus nur einem Gen.
Mehr Proteine als Gene
Der Hub1-vermittelte Mechanismus, den Jentsch und seine Mitarbeiter gefunden haben, könnte der älteste evolvierte Mechanismus sein, durch den mehr Proteine entstehen, als Gene vorhanden sind. Zudem fanden die Forscher heraus, dass er von einzelligen Organismen wie Hefe bis zum Menschen konserviert auftritt. Da der Mechanismus vermutlich auch einen signifikanten Einfluss auf die Produktion von menschlichen Proteinen hat, wird er sowohl für gesunde als auch für kranke menschliche Zellen von großer Relevanz sein, so die Wissenschaftler. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10143)
(Max-Planck-Institut für Biochemie, 27.05.2011 – DLO)