Den Rhythmus im Blut: Der durch Youtube bekannt gewordene Kakadu „Snowball“ ist ein echtes Tanztalent. Der Papagei tanzt spontan zu unterschiedlichen Musikstücken und passt seine „Moves“ an Takt und Melodie an. Dabei zeigt der Vogel ein erstaunlich vielfältiges Bewegungsrepertoire, wie Forscher berichten. Dieses Verhalten zeugt von Kreativität und Musikalität – und ist im Tierreich äußerst selten.
Uns Menschen ist der Sinn für Rhythmus und Musik angeboren. Doch auch andere Tiere zeigen ein gewisses Maß an Musikalität. So wippen Seelöwen im Takt, Katzen und Schimpansen haben Vorlieben für bestimmte Musikstile und manche Kakadus beherrschen sogar das Trommeln. Eines allerdings ist im Tierreich eine absolute Ausnahme: das spontane Tanzen zur Musik. Diese Art der Bewegung mit Beteiligung unterschiedlicher Körperteile und einer Vielfalt an „Moves“ galt lange Zeit als Domäne des Menschen – und ist noch nicht einmal von Affen bekannt.
Umso erstaunlicher ist das, was Kakadu „Snowball“ macht: Der Gelbhaubenkakadu wurde vor zehn Jahren zum Star auf der Videoplattform Youtube, weil er sich rhythmisch zu einem Song der Backstreet Boys bewegte. Doch offenbar hat der Vogel noch mehr Moves auf Lager, als er damals zum Besten gab. Kurz nachdem „Snowball“ eine gewisse Berühmtheit erlangt und sogar die Aufmerksamkeit von Forschern auf sich gezogen hatte, begann er sein Tanzrepertoire zu erweitern.
Mehr als nur Kopfwippen
Wie seine Besitzerin berichtet, tanzte der Kakadu plötzlich auch zu anderen Musikstücken. Dabei zeigte er erstaunlich vielfältige Bewegungsmuster, die weit über das zuvor beobachtete Kopfwippen und Füße-Heben hinausgingen. Ohne trainiert worden zu sein, hatte der Vogel einen ganz eigenen Tanzstil mit diversen Elementen entwickelt und schien immer wieder neue Bewegungen auszuprobieren. Um mehr über das Tanzrepertoire des Kakadus herauszufinden, haben Joanne Jao Keehn von der San Diego State University und ihre Kollegen ihn beim Tanzen gefilmt.
Für ihre Studie spielten die Wissenschaftler „Snowball“ zwei Hits aus den 1980er Jahren vor: „Another One Bites the Dust“ und „Girls Just Want to Have Fun“. Wie würde der Vogel auf die Musik reagieren? Insgesamt bekam „Snowball“ jedes Lied dreimal zu hören und wurde dabei von seiner Besitzerin mit lobenden Worten zum Tanzen animiert – es wurden ihm jedoch keinerlei Bewegungen vorgemacht.
Vielfältiges Repertoire
Die Analysen der Filmsequenzen offenbarten ein überraschend vielfältiges Repertoire an Tanzmoves: Insgesamt dokumentierte das Forscherteam 14 klar voneinander unterscheidbare Bewegungen und zwei kombinierte Moves. „Snowball“ wippt mit dem Kopf oder bewegt ihn im Kreis, hebt seine Füße auf unterschiedliche Art und Weise an oder wiegt seinen Oberkörper hin und her.
Zwischendurch nimmt der Papagei auch regelrechte Posen ein, in denen er für kurze Zeit verharrt. Eine sogenannte Körperrolle gehört ebenfalls zu seinem Repertoire – dabei scheint sich eine Welle vom Kopf durch den gesamten Körper zu bewegen, wie die Wissenschaftler berichten. Anders als Menschen tanzte „Snowball“ im Test allerdings nicht kontinuierlich, sondern immer nur drei bis vier Sekunden am Stück – und fing nach einer kurzen Pause wieder an.
Zeichen für Kreativität?
„Am interessantesten ist für uns aber die unglaubliche Vielfalt seiner Bewegungen“, erklärt Co-Autor Aniruddh Patel von der Tufts University in Medford. Jedes Mal, wenn „Snowball“ eine bestimmte Melodie hörte, bewegte er sich ein bisschen anders. Dies zeugt dem Forscherteam zufolge von Flexibilität und möglicherweise sogar von Kreativität. Mit seinen Reaktionen auf Musik zeigt der Kakadu damit ein Verhalten, das bisher nur bei Menschen und Papageien beobachtet worden ist. „‚Snowball‘ ist nicht der einzige Vogel mit solchen Fähigkeiten“, berichten Keehn und ihre Kollegen.
Doch warum teilen ausgerechnet Papageien unsere Leidenschaft fürs Tanzen? Die Forscher vermuten, dass das Tanztalent der Papageien durch eine Reihe angeborener Fähigkeiten gefördert wird – zum Beispiel das vokale Lernen und Imitieren von Bewegungen oder das Erlernen komplexer Aktivitätsmuster, aber auch die Neigung zur Bildung langfristiger sozialer Bindungen.
Tanzen als soziale Interaktion
„Papageien haben all diese Eigenschaften mit dem Menschen gemein. Dies könnte erklären, warum bisher nur Menschen und Papageien spontane und vielfältige Tanzbewegungen zur Musik zeigen“, so das Fazit des Teams. Für uns Menschen ist das Tanzen auch eine Form der sozialen Interaktion. Daher tanzen wir in Gesellschaft häufiger als alleine. Die Forscher wollen nun herausfinden, ob das auch für den tanzenden Kakadu „Snowball“ gilt. (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2019.05.035)
Quelle: Cell Press