Ziel jeder Impfung ist es, das Immunsystem in die Lage zu versetzen, Krankheitserreger zu erkennen und zu zerstören. Die dazu in den Körper eingebrachten Bestandteile dieser Erreger (Antigene), können jedoch nur dann die Abwehrzellen des Immunsystems aktivieren, wenn die Erregerbruchstücke zuvor auf Antigenrezeptoren einer anderen Gruppe von Immunzellen geladen werden, die sie der Abwehr präsentieren. Forscher haben nun entdeckt, dass von ihnen entwickelte winzige Proteinbruchstücke dabei offenbar eine wichtige Rolle spielen können.
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Im Labor konnten sie zeigen, dass diese künstlichen Fragmente die Beladbarkeit der Antigenrezeptoren und damit die Stärke der Immunantwort deutlich verbessern können. Die Wissenschaftler um Dr. Olaf Rötzschke vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Berlin, und der Universität Tübingen berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift PLoS ONE.
Erreger oder andere als fremd erkannte Strukturen, so genannte Antigene, werden, wenn sie nicht schon vorher abgefangen werden, von bestimmten Immunzellen geschluckt und im Innern in kleine Stücke zerschlagen. Die Zelle lädt dann Stichproben dieser Erregerbruchstücke auf einen Antigenrezeptor, kurz MHC II genannt, und transportiert sie damit auf ihre Oberfläche.
Bald bessere Impfungen?
Spezielle Abwehrzellen des Immunsystems (T-Helfer-Zellen) überprüfen regelmäßig den Inhalt der MHC II Moleküle. Falls dabei fremde Antigene aufgespürt werden, alarmieren sie die übrigen Abwehrzellen des Immunsystems, um die Infektion zu bekämpfen. Eine erfolgreiche Impfung hängt maßgeblich davon ab, wie effizient die Antigene eines Impfstoffes auf die MHC Rezeptoren geladen werden. Die Forscher fanden heraus, dass bestimmte kurze Proteinfragmente diesen Prozess erheblich beschleunigen können.
Ähnlich einem Schuhlöffel, der dem Fuß in den Schuh hilft, weiten sie das MHC-II Molekül an einer bestimmten Stelle und ermöglichen es so den Antigenen in die für sie vorgesehene Bindungstasche des Rezeptors zu schlüpfen. Rötzschke hofft deshalb, diese im Labor entwickelten Proteinfragmente künftig für die Verbesserung von Impfungen einsetzen zu können. Die Idee dabei ist, einem Impfstoff das Proteinfragment beizugeben, damit der MHC-Rezeptor besser und mit den „richtigen“ Antigenen beladen wird, um die Immunreaktion zu verstärken.
Antigenpräsentation und Immunerkrankungen
Darüber hinaus könnte dieser Mechanismus auch neue Erkenntnisse über die Entstehung bestimmter Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel der Zöliakie, liefern. Dabei werden den Abwehrzellen des Immunsystems irrtümlich Bestandteile des Weizenmehls (Gluten) präsentiert. Die Betroffenen vertragen aus diesem Grund keine Lebensmittel aus Weizenmehl, wie zum Beispiel Brot und Nudeln.
Auch in diesem Fall muss das Weizenmehlantigen dafür auf MHC II Rezeptoren gepackt werden, wobei ebenfalls kurze Proteinfragmente behilflich sein könnten. Prinzipiell können die in diesem Fall unerwünschten Helfer sogar während der Verdauung der Weizennahrung vom Körper gebildet werden. Es besteht deshalb nach Ansicht von Rötzschke die Möglichkeit, dass hier ebenfalls der Schuhlöffeleffekt zum Tragen kommt und die Beladung des MHC II Rezeptors mit Zöliakie-auslösendem Antigen vermittelt. Neben der Verbesserung von Impfstoffen untersuchen die Forscher deshalb gegenwärtig inwieweit solche Bestandteile bei der Entstehung der Autoimmunerkrankung eine Rolle spielen.
(idw – Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, 20.03.2008 – DLO)