Zoologie

Ein Schutzwall aus Kadavern

Wespenart schützt Nachwuchs mit einem Wall aus toten Ameisen

Nest der Beinhaus-Wespe: (A)Einzelne Brutkammern sind durch dünne Wänden getrennt, (B) die Vorkammer ist mit toten Ameisen gefüllt; (C) Ameisenkadaver aus einer Vorkammer; (D) Ausgewachsenes Weibchen der Beinhaus-Wespe; Länge der Maßstabs-Balken: (A) 15 mm, (B) 5 mm, (C, D) 10 mm. © Merten Ehmig (A, B), Michael Staab (C, D)

Ein Leichenberg vor dem Kinderzimmer: Was zunächst wie ein Horrorfilm klingt, ist die einzigartige Abwehrstrategie einer in China entdeckten Wespenart. Die Beinhaus-Wespe errichtet eine Mauer aus toten Ameisen, um ihre Larven zu schützen, haben deutsche Wissenschaftler herausgefunden. Dieser einzigartige Schutzwall ist äußerst effektiv gegen Parasiten, schreiben die Forscher im Online-Magazin „PLoS ONE“.

Wegwespen betreiben großen Aufwand für ihren Nachwuchs: Sie bauen Brutkammern in Erdlöchern oder Pflanzenteilen, wie etwa hohlen Stängeln oder Halmen. Damit die Larven in diesen Kammern nach dem Schlüpfen Futter finden, jagen die Wespen außerdem Spinnen, die sie neben den Eiern in der Kammer einlagern. Dieses Futter wird lediglich betäubt – eine tote Spinne bleibt nicht lang genug frisch. Normalerweise legt das Wespenweibchen gleich eine ganze Reihe solcher Brutkammern hintereinander an. Den Abschluss bildet eine kleine Vorkammer, die jedoch meistens leer bleibt.

Gepackt wie in einem Beinhaus

Michael Staab von der Universität Freiburg und seine Kollegen waren daher sehr überrascht, als sie Nester von Wegwespen im Gutianshan Naturschutzgebiet im Südosten Chinas untersuchten: In 73 der insgesamt 829 Nester war die Vorkammer vollgestopft mit toten Ameisen. Bis zu 13 dicht zusammengepackte Insektenkadaver fanden die Wissenschaftler pro Nest. „Als wir diese Nester sahen, fühlten wir uns an die Beinhäuser und Ossuarien historischer Friedhöfe erinnert“, so die Forscher. Im Mittelalter stapelte man in solchen Gebäuden die Knochen aus abgetragenen Gräbern, um Platz auf dem Friedhof zu schaffen.

Die Nester gehörten alle zu einer bis dahin unbekannten Art der Wegwespe. Die Wissenschaftler tauften sie passend auf den Namen „Beinhaus-Wespe“ – Deuteragenia ossarium. Die Forscher nehmen an, dass die Beinhaus-Wespe mit den toten Ameisen ihre Brutkammern zusätzlich sichert. Einerseits ist der Schutzwall schwerer zu durchdringen als die dünnen Wände der Vorkammer allein. Vor allem aber wirken die Ameisen als chemische Abwehr: Auch die toten Ameisen verströmen noch typischen Ameisenduft.

Die Beinhaus-Wespe Deuteragenia ossarium: Weibchen (A, B), Männchen (C, D), Vorderansicht des Kopfes (E) und Genitalien (F); Länge der Maßstabs-Balken: (A, C) 5.0 mm, (B, D) 2.0 mm, (E, F) 0.6 mm. © Bernhard Schurian (A–E), Birger Neuhaus (F)

Einzigartig effektiver Schutz

Dieser Geruch überlagert einerseits den Geruch der Wespenlarven und macht sie so für Parasiten und Nesträuber schwerer aufspürbar. „Zum anderen kann der Duft auch Räuber abschrecken, denn die meisten Ameisen verteidigen ihre Nester heftig gegen solche Eindringlinge“, so Staab. Und diese Abwehr ist offenbar äußerst effektiv: In den Nestern mit Ameisen-Schutz fanden die Wissenschaftler deutlich weniger Parasiten oder Schäden durch Räuber im Vergleich zu anderen Nestern.

Ameisen als Schutzmaßnahme sind im Tierreich nicht völlig neu: Manche Insekten nisten sich zum Beispiel direkt in einem Ameisenbau ein, und lassen sich von dem wehrhaften Schwarm verteidigen. Die Schutzwand der Beinhaus-Wespe ist dennoch einzigartig: „Keine andere Art baut buchstäblich einen Wall aus Ameisenkadavern“, betonen die Biologen.

(PLoS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0101592, open access)

(Staab et al., PLoS ONE, 03.07.2014 – AKR)

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