Beine über Beine: Einige Trilobiten besaßen an ihrem Kopf offenbar mehr Beinpaare als bislang angenommen – nämlich vier statt drei, wie außergewöhnlich gut erhaltene Fossilien aus New York nun zeigen. Sie werfen auch neues Licht auf den Körperbau dieser urzeitlichen Krebsvorläufer. Demnach müssen die Trilobiten einst sechs statt fünf Kopfsegmente besessen haben. Das wiederum löst eines der großen Rätsel der Trilobitenforschung, wie die Paläontologen berichten.
Das Erdaltertum war die Sternstunde der Trilobiten. Über 250 Millionen Jahre lang beherrschten die marinen Gliederfüßer damals die Meere unseres Planeten, bevor sie schließlich am Ende des Perm-Zeitalters vor 252 Millionen Jahren ausstarben. Mit ihrem ovalen Körper, dem segmentierten Exoskelett und den zahlreichen kleinen Beinchen, die sich entlang des gesamten Panzers befanden, ähnelten sie äußerlich am ehesten überdimensionierten Kellerasseln.
Die genaue Zahl der Beine gibt Paläontologen allerdings bis heute Rätsel auf, denn anders als der robuste Panzer der Trilobiten gehörten ihre Körperanhängsel zu den Weichteilen und sind deshalb so gut wie nie vollständig erhalten.
Die große Beinzählung
Im US-Bundesstaat New York sind Jin-bo Hou von der Nanjing-Universität und Melanie Hopkins vom American Museum of Natural History in New York nun allerdings auf besonders gut erhaltene Trilobiten gestoßen, die neues Licht auf die Beinfrage werfen könnten. Denn: Die rund 445 Millionen Jahre alten Tiere der Spezies Triarthrus eatoni sind dreidimensional und auf dem Rücken liegend versteinert, wodurch auch ihre Beine und Antennen detailliert verewigt wurden.
„Diese fantastische Art der Konservierung ermöglicht es uns, 3D-Körperanhängsel in Hunderten von Exemplaren direkt von der Bauchseite der Tiere aus zu beobachten, so wie man die Anhängsel von Pfeilschwanzkrebsen am Strand betrachtet, indem man sie auf den Kopf dreht“, erklärt Hou.
Unerwartete Extra-Beine entdeckt
Die fossilen Bäuche hielten dabei prompt eine große Überraschung bereit: Sie offenbarten ein Extra-Paar Beine am Kopf, direkt hinter den Antennen. Anders als bei anderen Trilobitenfossilien fanden Hou und Hopkins in dieser Körperregion vier statt der üblichen drei Beinpaare. Die Forschenden gehen allerdings nicht davon aus, dass es sich dabei um eine Anomalie handelt, die nur bei Triarthrus-Trilobiten auftrat, sondern dass noch andere Spezies ein zusätzliches Beinpaar am Kopf besaßen, dieses aber fast nie erhalten blieb.
Damit steigt nicht nur die für Trilobiten angenommene Beinzahl, sondern auch die Zahl ihrer Kopfsegmente – und zwar von fünf auf sechs – , denn beide hängen eng miteinander zusammen. Die Segmentkorrektur löst sogar ein großes Rätsel der Trilobitenforschung, denn von der Rückenseite aus haben Paläontologen schon immer sechs Segmente gezählt. Das deckte sich jedoch bislang nie mit der Anzahl der auf der Bauchseite gefundenen Körperanhängsel.
Segmente als Forschungshelfer
Wie die Forschenden berichten, gliederten sich die sechs Kopfsegmente der Trilobiten einst in ein vorderes Segment, das mit dem Entwicklungsursprung der Augen verbunden war, und in fünf weitere Segmente, die mit einem Paar Antennen und vier Paaren von Laufbeinen ausgestattet waren. „Die Anzahl der Segmente und wie sie mit anderen wichtigen Merkmalen wie Augen und Beinen verbunden sind, ist wichtig, um zu verstehen, wie Gliederfüßer miteinander verwandt sind und wie sie sich entwickelt haben“, erklärt Hopkins.
Die neuen anatomischen Erkenntnisse könnten daher künftig mehr über die Evolution der Trilobiten und ihrer Cousins verraten. (Palaeontology, 2024; doi: 10.1111/pala.12723)
Quelle: American Museum of Natural History