Erfolgreiches Naturpatent: Die Facettenaugen der Insekten und anderer Arthropoden haben sich in den letzten 400 Millionen Jahren kaum verändert – schon Trilobiten sahen auf die gleiche Weise. Das belegt ein 429 Millionen Jahre altes Trilobitenfossil, bei dem eines der Komplexaugen erstaunlich gut erhalten blieb. Die Sehsinneszellen, Linsen und auch die lichtbündelnden Kristallkörper seiner Augen unterschieden sich kaum von denen der heutigen Bienen.
Insekten und einige andere Arthropoden haben eines der leistungsfähigsten Sehsysteme im Tierreich entwickelt: die Facettenaugen. Sie bestehen aus bis zu 30.000 Einzelaugen, sogenannten Ommatidien. In diesen leiten eine Chitinlinse und ein transparenter Kegel, das Rhabdom, das einfallende Licht an jeweils mehrere Sinneszellen weiter. Zwar erreichen die Komplexaugen meist eine geringere räumliche Auflösung als unsere Augen, dafür ist ihre zeitliche Auflösung weit höher.
Wann die ersten Komplexaugen entstanden sind, ist unklar. Fossilfunde eines Ur-Arthropoden aus dem Kambrium sprechen aber dafür, dass dieses Prinzip des Sehens sich schon sehr früh entwickelt hat. Auch Trilobiten besaßen schon Komplexaugen. Wie diese jedoch beschaffen waren, blieb mangels Konservierung dieser fragilen Strukturen bislang weitgehend ungeklärt.
Das linke Komplexauge blieb konserviert
Jetzt haben Brigitte Schoenemann von der Universität zu Köln und Euan Clarkson von der University of Edinburgh ein Trilobitenfossil mit erstaunlich guter erhaltenem Auge aufgespürt. Der Trilobit Aulacopleura koninckii lebte vor 429 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Tschechien und war nur rund einen Zentimeter lang. Eines seiner Augen ist zwar zerstört, das andere aber ist so gut konserviert, dass die Paläontologen innere Struktur mithilfe digitaler Lichtmikroskopie analysieren konnten.
„Normalerweise sind zelluläre Strukturen in Fossilien nicht erhalten“, sagen die Forscher. „Hier jedoch sehen wir in außergewöhnlich guter und wahrscheinlich einzigartiger Weise den inneren Aufbau des Facettenauges bei diesem Trilobiten aus dem Silur.“ Die Augen des Tieres bestanden demnach aus rund 200 Ommatidien, die sich als ovale Halbkugeln aus dem Kopfpanzer erhoben. Jedes Ommatidium bestand wiederum aus etwa acht Sinneszellen, die sich um das zentrale Rhabdom gruppierten.
Modern wie ein Bienenauge
Damit ähnelt das Facettenauge des Trilobiten schon verblüffend dem von heutigen Bienen, Libellen und einigen Krebsen: „Zwar sind die einzelnen Sinneseinheiten noch nicht so dicht gepackt wie bei den sechseckigen Linsenfeldern vieler moderner Komplexaugen, aber ihre interne Struktur ist nahezu identisch“, so Schoenemann und Clarkson. Das belege, dass dieses Sehsystem der Arthropoden schon vor gut 400 Millionen Jahren voll ausgeprägt war und sich seither kaum verändert hat.
Ein weiteres modernes Merkmal zeigt sich in einer dunklen, ringförmigen Schicht, die die Ommatidien des Trilobiten Auges umgibt. Dabei handelt es sich um Reste einer lichtabschirmenden Pigmentschicht, die die Einzelaugen voneinander isolierte und so Störlicht verhinderte. Eine solche Pigmenthülle ist heute typisch für die sogenannten Appositionsaugen vieler tagaktiver Insekten und Krebse. Denn sie macht das Bild schärfer, erfordert aber einen relativ starken Lichteinfall.
Indiz für tagaktive Lebensweise in flachem Wasser
Das aber bedeutet: Der Trilobit Aulacopleura muss damals in einer relativ hellen Umgebung gelebt haben. Dafür spricht auch der eher geringe Durchmesser seiner Einzellinsen, der ebenfalls den Lichteinfall begrenzt. „A. koninckii war demnach nicht dämmerungsaktiv oder nachtaktiv“, so die Forscher. Stattdessen muss dieser Trilobit in flachen, lichtdurchfluteten Zonen des urzeitlichen Meeres gelebt haben und tagaktiv gewesen sein.
Interessant auch: Die wenigen anderen Trilobitenaugen, die man bislang untersucht hat, besitzen diese Pigmentschicht nicht. Bei ihnen sorgt stattdessen eine Kutikulaschicht aus dem gleichen Material wie ihr Außenpanzer für die optischen Trennung – das ist physiologisch gesehen „billiger“ als die Produktion einer solchen Pigmentschicht. Doch bei Aulacopleura reichte dies offenbar nicht.
Der wahrscheinliche Grund: „Da hier bei Aulacopleura die Evolution offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheut hat, muss man wohl davon ausgehen, dass sein dünner Panzer durchsichtig war“, schlussfolgert Schoenemann. Der kleine Trilobit könnte demnach wie einige heutige Krebse nahezu transparent gewesen sein. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-69219-0)
Quelle: Universität zu Köln