Mathematik der Natur: Eine erstaunlich universelle Formel beschreibt, wie schnell fliegende oder schwimmende Tiere mit ihren Flügeln oder Flossen schlagen. Demnach folgt die Beziehung zwischen Körpergröße, Flügelfläche und Schlagfrequenz derselben Gesetzmäßigkeit – trotz aller biologischen Unterschiede. Über die Gleichung lassen sich daher die Schlagfrequenzen vom Schmetterling bis zum Blauwal vorhersagen – und sogar für den ausgestorbenen Flugsaurier Quetzalcoatlus.
Die Natur erscheint vielgestaltig und oft chaotisch, doch dahinter verbergen sich oft stringente Gesetzmäßigkeiten. So lässt sich das maximale Tempo eines Tieres über eine verblüffend simple Formel beschreiben – egal ob es rennt, schwimmt oder fliegt. Auch die Häufigkeit von Organismen verschiedener Größenklassen im Meer folgt einer mathematischen Gesetzmäßigkeit: Jede zehnfache Zunahme des Körpergewichts ist mit einer Verringerung der Organismenzahl in dieser Gewichtsklasse verknüpft.
Welche Faktoren bestimmen den Flügelschlag?
Eine weitere Formel der Natur haben nun Jens Højgaard Jensen und seine Kollegen von der Universität Roskilde in Dänemark entdeckt. Für ihre Studie hatten sie zunächst untersucht, welche physikalischen Parameter die Schlagfrequenz fliegender Tiere bestimmen. „Fluginsekten, Vögel und Fledermäuse, aber auch prähistorische Reptilien haben die Fähigkeit des Fliegens entwickelt“, so die Forschenden. Dabei gibt es jedoch eine enorme Spannbreite an Größen, Flügelformen und Flugtechniken.
„Die Frage ist daher, ob man allein auf Basis physikalischer Faktoren die Schlagfrequenz eines fliegenden Tieres vorhersagen kann“, schreiben Jensen und sein Team. Denn die Dynamik des Flatterfluges hängt von der Kraft des Flügelschlags, aber auch vom durch komplexe Luftströmungen beeinflussten Auftrieb ab. Dies physikalisch zu erfassen sei eine enorme Herausforderung. Die Forschenden haben daher untersucht, ob sich das Flügelschlagtempo auch an einfacheren Merkmalen ablesen und beschreiben lässt.
Nur zwei Faktoren entscheidend
Um dies zu klären, haben Jensen und seine Kollegen die Daten von 414 Tierarten analysiert, darunter 176 verschiedene Insekten, 212 Vogelarten und 25 Fledermausarten. Die Spanne reichte jeweils von kleinen Spezies wie der Mücke oder dem Kolibri bis zu großen Arten wie dem Schmetterling oder dem Schwan. Das Team suchte dabei nach den Parametern, von denen die Flügelschlagfrequenz abhängt.
Es zeigte sich: Wie schnell ein Tier mit seinen Flügeln schlägt, lässt sich durch eine verblüffend einfache Formel beschreiben. Demnach ist die Flügelschlagfrequenz proportional zur Quadratwurzel der Körpermasse geteilt durch die Flügelfläche. Wie die Forschenden erklären, ergibt sich dieser Zusammenhang aus den Gesetzen der Physik und hängt eng mit der Resonanzfrequenz der Flügel zusammen, die ein besonders energiesparendes Fliegen ermöglicht.
Von der Mücke bis zum riesigen Flugsaurier
Das Erstaunlich ist jedoch, dass diese einfache Formel über alle Arten und Größen fliegender Tiere hinweg greift. „Die Proportionalität variiert zwischen den verschiedenen Tierklassen kaum“, schreiben Jensen und seine Kollegen. „Da die Flügelformen beispielsweise eines Schmetterlings und einer Fledermaus aber nicht sehr ähnlich sind, scheint die Evolution die Faktoren irgendwie so angepasst zu haben, dass das Verhältnis über alle Spezies hinweg ungefähr gleich bleibt.“
Dank dieser Konstanz könnte sich sogar die Flügelschlagfrequenz ausgestorbener Pterosaurier rekonstruieren lassen. „Wir haben damit die Schlagfrequenz des größten fliegenden Tieres der Erdgeschichte, des Flugsauriers Quetzalcoatlus northropi ermittelt“, berichten die Wissenschaftler. Mit einer geschätzten Körpermasse von rund 65 Kilogramm und einer Flügelfläche von rund zehn Quadratmetern müsste der Quetzalcoatlus demnach eine Flügelschlag-Frequenz von 0,7 Hertz gehabt haben.
Gilt auch für Schwimmer
Doch das ist noch nicht alles: Dieser universelle Zusammenhang gilt offenbar nicht nur in der Luft, sondern auch im Wasser. „Schwimmende Tiere gehorchen derselben erstaunlich universellen Gesetzmäßigkeit, wenn man die Unterschiede in Dichte und Auftrieb zwischen Luft und Wasser berücksichtigt“, erklären Jensen und sein Team. Dies zeigte sich unter anderem in den Flossenschlägen von Pinguinen, Buckelwalen oder dem Blauwal. Ungültig wird der Zusammenhang nur bei Fischen mit Schwimmblase und anderen zusätzlichen Schwimmhilfen.
„Obwohl sich die Schlagfrequenz all dieser Tiere von der Mücke zum Blauwal um fast den Faktor 10.000 unterschiedet, fallen ihre Daten fast alle auf eine Linie“, schreiben die Wissenschaftler. „Als Physiker waren wir überrascht zu sehen, wie gut unsere einfache Variante einer Flügelschlags-Formel für eine so diverse Gruppe von Tieren funktioniert.“ Deutliche Abweichungen gibt es allerdings bei sehr kleinen Insekten, weil dort die Luftträgheit überproportional stark zum Tragen kommt. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0303834)
Quelle: PLOS