Einsiedlerkrebse sind sozialer als ihr Ruf. Wenn sie neue Gehäuse beziehen, machen sie sogar ein regelrechtes Gruppenereignis daraus. In einer Art Ringtausch, der so genannten synchronen Vakanz-Kette, erhält dabei jeder Krebs das Gehäuse des nächstgrößeren in der Warteschlange. Wie eine solche Kettenreaktion ausgelöst wird, haben nun amerikanische Biologen untersucht.
Einsiedlerkrebse gelten als Einzelgänger. Sie besitzen keinen festen Panzer und sind daher auf “Fremdgehäuse” angewiesen. Mit ihrem weichen, ungeschützten Rumpf wären sie sonst leichte Beute für Prädatoren. Im Laufe ihres Lebens müssen die Einsiedler immer wieder nach neuen „Häusern“, meist leeren Schneckenschalen, suchen, in die sie ihren wachsenden Körper unterbringen können. Oft jedoch gibt es nicht genügend geeignete Behausungen für alle Anwärter, die Konkurrenz ist entsprechend groß. „Ich habe schon Einsiedler gesehen, die in Flaschenverschlüssen oder sogar den Kappen von Stiften herumliefen“, erklärt Sara Lewis, Professorin für Biologie an der Tufts Universität.
Schalentausch als Kettenreaktion in Warteschlange
Wie also stellen es die Krebse an, trotz Konkurrenz an ihre schützenden Häuser zu gelangen? Eine Strategie war bereits bekannt. In vielen Fällen bildet sich an einer geeigneten Schale eine so genannte „synchrone Vakanz-Kette“: Die Krebse versammeln sich um die Schale und reihen sich schließlich der Größe nach auf, der größte Krebs am nächsten an der leeren Schale. Sobald dieser seine alte Schale abwirft und die neue bezieht, greift sich der nächste in der Reihe die gerade freigewordene alte Schale seines Vorgängers und tauscht nun seinerseits die Hüllen. Dieses Verhalten setzt sich durch die gesamte Reihe fort, bis am Ende alle Einsiedlerkrebse ein neues Haus besitzen.
Wie aber kommt eine solche synchrone Vakanz-Kette zustande? Das haben nun Wissenschaftlerinnen um Randi Rotjan von der Tufts Universität gemeinsam mit Kollegen des New England Aquarium untersucht. Ihre Studie wurde Anfang April in der Fachzeitschrift „Behavioral Ecology“ veröffentlicht. Die Forscherinnen „säten“ dafür leere Schalen in Populationen von Einsiedlerkrebsen und beobachteten, was geschah. Dabei entdeckten sie, dass die Krebse trotz Konkurrenz und vermeintlichem Einzelgängertum keineswegs die erstbeste Schale entern, sondern den sozialen Ringtausch zu bevorzugen scheinen.
Erst warten dann Huckepack-Reiten
Wenn ein Einsiedlerkrebs auf eine leere Schale stößt, die eigentlich zu groß für ihn ist, nimmt er sie nicht als Gehäuse an, geht aber auch nicht weg. Stattdessen postiert er sich in ihrer unmittelbaren Nähe und wartet. Vorüberkommende Artgenossen schließen sich ihm an, so dass sich nach und nach eine Gruppe bildet. Nun beginnen die Krebs mit einem seltsamen Ritual: Die Einsiedler beginnen, sich an der Schale größerer Krebs festklammern und Huckepack zu reiten. Irgendwann hat dann das Warten und Huckepack-Reiten plötzlich ein Ende: Die synchrone Vakanz-Kette bildet sich und der Schalentausch beginnt.
„Sie verbringen Stunden damit, sich einzureihen, doch dann wird die Kette in Sekunden ausgelöst, wie eine Reihe von Dominosteinen“, erklärt Rotjan. Welche Rolle das Warten und Huckepack-Taktik für eine erfolgreiche Vakanz-Kette spielt, untersuchten die Forscher zusätzlich mit Hilfe eines Computermodells, in dem sie das Verhalten mit virtuellen Krebsen und Schalen simulierten.
Wartebereitschaft entscheidend für Erfolg
Es zeigte sich, dass das Auslösen der Vakanz-Kette nicht nur von der Krebsdichte abhing, sondern auch von der Zeit, die die Krebse neben einer für sie ungeeigneten Schale zu warten bereit waren. Nach Ansicht der Forscherinnen könnten die für die Einsiedlerkrebse realisierten Prinzipien der Vakanz-Kette auch auf das Verhalten anderer Tiere, und sogar in bestimmten Situationen auf das menschliche Verhalten übertragen werden.
(Tufts University, 28.04.2010 – NPO)