Fehlverhalten stinkt: Wer sich mit ethisch schwierigen Situationen auseinandersetzen muss, reagiert anschließend sensibler auf unangenehme Gerüche, wie nun Experimente enthüllen. Sie bestätigen, dass unser Moralempfinden auf neuronaler Ebene eng mit der Sinneswahrnehmung verknüpft ist. Allerdings nicht mit jeder: Das Schmerzempfinden verändert sich durch moralische Dilemmata nicht, wohl aber das Ekelgefühl bei fiesen Gerüchen.
Moralische Entscheidungen hängen nicht nur von rationalen Überlegungen ab, sondern auch vom Bauchgefühl. Dieses korreliert auf neuronaler Ebene mit körperlichen Wahrnehmungen. Bisher war umstritten, ob es sich dabei um Ekel oder Schmerz handelt. Beides sind starke, überlebenswichtige Gefühle, die zum Beispiel verhindern, dass wir uns mit verdorbenem Essen vergiften oder die Hand auf eine heiße Herdplatte legen. Psychologen gehen davon aus, dass diese Überlebensreflexe auch an der emotionalen Reaktion auf schlechtes Verhalten beteiligt sind.
Schon frühere Studien haben darauf hingedeutet, das Personen Ekel unterschiedlich stark empfinden, je nachdem, welche politische Einstellung sie haben und welcher Gruppe sie sich zugehörig fühlen. Ein Team um Gil Sharvit von der Universität Genf hat nun gezeigt, dass die Verarbeitung moralischer Dilemmata eher mit Ekel als mit Schmerz assoziiert ist.
Körperliche Reaktion auf Dilemmata
In zwei Studien ließen die Forscher ihre Probanden ethisch schwierige Situationen lesen und bewerten, darunter das bekannte Zugdilemma: „Fünf Personen sitzen auf einem Bahngleis fest, während sich ein Zug nähert. Der einzige Weg, sie zu retten, ist, jemanden von einer Brücke zu schubsen, um mit seinem Körper die Weiche umzustellen. Mit anderen Worten, es ist notwendig, eine Person zu töten, um fünf in einer sehr unmoralischen Situation zu retten“, beschreibt Sharvits Kollege Corrado Corradi-Dell’Acqua die Situation.