Rätselhafte Rüsseltiere: Genau wie es bei Menschen Rechts- und Linkshänder gibt, lassen sich auch Elefanten in Rechts- und Linksrüssler unterteilen. Sie führen ihre Nahrung entweder bevorzugt von der einen oder von der anderen Seite ins Maul. Warum das so ist, könnten Biologen nun herausgefunden haben. Demnach hängt diese Seitenpräferenz mit der ungewöhnlichen Anordnung der Tasthaare am Elefantenmaul zusammen.
Rechts- und Linkshänder gibt es längst nicht nur unter uns Menschen. Katzendamen präferieren beim Spielen zum Beispiel die rechte Pfote, während Kängurus sich bevorzugt mit ihrem linken Vorderbein kratzen. Selbst Tiere ohne Hände haben Seitenpräferenzen: So drehen sich Blauwale beim Beutefang zu 90 Prozent rechtsherum und Elefanten führen Nahrung mit ihrem Rüssel entweder von rechts oder von links zum Maul.
Der „Rüsseligkeit“ auf der Spur
Während in vielen Fällen noch unklar ist, wie genau die Präferenz für rechts oder links entsteht, könnte die Lösung bei Elefanten nun ein Stück näher gerückt sein. Eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung der „Rüsseligkeit“ spielt demnach der besondere Mundaufbau der Dickhäuter, wie Hazal Yildiz von der Humboldt-Universität zu Berlin und ihre Kollegen herausgefunden haben.
Das Maul der Elefanten ist natürlich schon deshalb besonders, weil Oberlippe und Nase bei ihnen zu einem Rüssel verschmolzen sind. Doch es gibt noch eine weitere Besonderheit, die bislang weitgehend übersehen wurde: die Anordnung ihrer Schnurrhaare. Den meisten Säugetieren wachsen seitlich am Maul lange Sinneshaare (Makrovibrissae), mit deren Hilfe sie sich grob auf ihre Nahrung ausrichten können. Vorne am Maul kommen deutlich kürzere und dichter beieinanderliegende Haare (Mikrovibrissae) für die Feinkontrolle der Nahrung hinzu.
Elefanten haben einzigartige Schnurrhaare
Doch bei Elefanten ist diese Tasthaar-Anordnung im Vergleich zu anderen Säugetieren offenbar genau umgekehrt, wie Beobachtungen an Asiatischen Elefanten im Zoologischen Garten Berlin nun gezeigt haben: Die kurzen, dichten Mikrovibrissae liegen bei ihnen seitlich am Maul und die langen Makrovibrissae vorne. „Ich habe Schnurrhaare bei Säugetieren intensiv studiert, aber ich habe noch nie eine Mundregion wie die der Elefanten gesehen“, sagt Seniorautor Michael Brecht.
Da die besonders feinfühligen Schnurrhaare bei Elefanten seitlich liegen, ist es nur logisch, dass sie auch ihre Nahrung seitlich aufnehmen, erklären Yildiz und ihr Team. Und das wiederum bietet idealen Nährboden für die Entwicklung von Seitenpräferenzen. Bei den Beobachtungen im Berliner Zoo zeigte sich zum Beispiel, dass die 50-jährige Elefantendame Carla ihr Futter fast immer von rechts ins Maul führte, wodurch ihre Tasthaare auf dieser Seite bereits stark abgenutzt waren.
Menschen sind auch nur Elefanten
Interessanterweise haben wir recht viel mit Elefantendame Carla und ihren Artgenossen gemeinsam, wenn es um die Nahrungsaufnahme geht. Denn Elefanten und Menschen führen ihre Nahrung jeweils indirekt mit der Hand beziehungsweise dem Rüssel zum Mund. Sie beißen anders als etwa Tiger und Hunde nicht direkt hinein. Und das könnte nach Ansicht der Forschenden auch bei uns Menschen zur Entwicklung einer bevorzugten Hand sowie zu einer Anomalie der Tasthaare beigetragen haben, denn wir haben unsere im Laufe der Zeit komplett verloren.
„Es ist jedoch nicht klar, warum die Gesichtsvibrissae bei Affen erhalten blieben, die ebenfalls eine indirekte, armvermittelte Fütterung betreiben“, schreiben Yildiz und ihre Kollegen. (Annals of the New York Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1111/nyas.15194)
Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin