Wie wird aus einem einfachen Zellhaufen ein komplexer Embryo? Woher wissen die Zellen, in welchen Gewebetyp sie sich differenzieren sollen? Genau das haben jetzt deutsche Biomediziner herausgefunden. Wie sie in der Fachzeitschrift „Development“ berichten, spielt dabei überraschenderweise der Zufall eine wichtige Rolle.
Säugetiere bestehen aus mehr als 200 verschiedenen Zelltypen, die alle ihre spezifischen Aufgaben haben. Die Zelltypen des erwachsenen Lebewesens, aber auch ein Teil der Plazenta, stammen von einer einzigen Zelle ab, der befruchteten Eizelle. Wie können sich aus einer einzigen Zelle so viele hoch spezialisierte Zellen entwickeln und zu Geweben formen? Um der Antwort auf die Spur zu kommen, beobachten Wissenschaftler, wann die ersten Unterschiede zwischen den Zellen im frühen Embryo auftauchen. Jens-Erik Dietrich und Takashi Hiiragi haben hierzu die Eigenschaften und die Position der einzelnen Zellen im frühen Embryo verfolgt.
Von der Zellkugel zum Embryo
Am dritten Tag nach der Befruchtung, nach fünf Zellteilungen, besteht ein Mausembryo aus 32 Zellen. Es hat sich zu einer kugeligen Struktur, der sogenannten Blastozyste, entwickelt, die innen hohl ist. Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits mindestens zwei völlig unterschiedliche Zelltypen. Außen liegt eine einzelne Zellschicht, das Trophektoderm, aus dem ein Teil der Plazenta hervorgeht und das für die Nährstoffversorgung des sich entwickelnden Embryos zuständig ist. Im Inneren der Höhle befindet sich, am Rand der äußeren Zellschicht, ein Zellhaufen, auch innere Zellmasse genannt. Aus dieser bildet sich letztendlich die Maus.
Wie aber entstehen die ersten Unterschiede zwischen den Zellen? Entwickelt jede Zelle sein Programm zufällig oder ist das Schicksal vorherbestimmt, schon bevor man es „mit dem Auge“ erfassen kann? Untersuchungen an Fruchtfliegen, Krallenfröschen und Zebrafischen haben gezeigt, dass spezifische Faktoren in bestimmten Regionen innerhalb der Eizelle entscheiden, wie sich die Zellen entwickeln, die sich während den ersten Teilungen bilden. In diesen Organismen gibt es demzufolge eine sehr frühe Ausrichtung der Zellen im Embryo. Diese Vorab-Strukturierung klang so verlockend, dass Wissenschaftler versuchten, diese Art von Musterbildung in der Maus als Modell für Säugetiere zu finden.