Umwelt

Enzym-Doppel gegen den Plastikmüll

Gekoppelte Bakterienenzyme bauen PET bis zu sechsmal schneller ab als die Mikrobe

PET-Flaschen
PET-Flaschen und anderer Plastikabfall müllen unsere Umwelt zu. Abhilfe schaffen könnte nun ein Enzymcocktail. © SamiSert/ iStock.com

Natürliche Helfer gegen die Plastikflut: Forscher haben zwei Enzyme der plastikfressenden Mikrobe Ideonella sakaiensis so miteinander kombiniert, dass sie PET-Kunststoff effektiver abbauen. Die über eine Bindung gekoppelten Enzyme können PET sechsmal schneller zersetzen als die Mikrobe. Solche Enzym-Cocktails eröffnen Chancen, dem Plastikmüll biochemisch beizukommen – und sie könnten das Recycling von gemischten Plastikabfällen ermöglichen.

Es schwimmt im Meer, lagert sich in Böden und Sedimenten ab und kommt als Mikroplastik sogar in unserem Körper vor: Plastik ist längst allgegenwärtig – und könnte es lange bleiben. Denn die aus Erdöl erzeugten Polymere sind kaum biologisch abbaubar und daher nur schwer wieder aus der Umwelt zu entfernen. 2016 jedoch entdeckten Forscher erstmals ein plastikfressendes Bakterium. Ideonella sakaiensis kann den Kunststoff PET mithilfe zweier Enzyme in seine Grundbestandteile zersetzen.

Seither haben Forscher das erste Enzym dieser Mikrobe PETase bereits gründlich analysiert, seine Effizienz verdoppelt und sogar eine Kieselalge damit ausgerüstet – sie könnte damit Mikroplastik im Ozean abbauen. Doch die Zersetzung von PET durch die PETase allein ist noch nicht effektiv und schnell genug, um den enzymatischen Abbau von PET in großem Maßstab lohnend zu machen.

Das zweite Enzym im Visier

Deshalb haben nun Forscher um Brandon Knott vom National Renewable Energy Laboratory in Colorado sich auch das zweite Enzym der Mikrobe Ideonella näher angeschaut. Während die PETase das Polyethylenterephtalat (PET) in kleinere Terephtalat-Stücke zerlegt, übernimmt die MHETase den nächsten Schritt: Sie wandelt die Terephtalat-Stücke in Terephtalsäure (TPA) und Ethylenglykol. Diese Grundbausteine können dann weiter abgebaut oder als Rohstoffe für neues Plastik genutzt werden.

In Experimenten ließen die Forscher zunächst beiden Mikroben-Enzyme auf PET los. Sie stellten fest: Zwar kann die MHETase ohne die Vorarbeit der PETase das Plastik nicht weiter abbauen. Wenn man aber beide mischt, läuft die PET-Zersetzung doppelt so schnell ab wie durch PETase alleine. Dann gingen die Wissenschaftler noch einen Schritt weiter: „Wir haben uns entschlossen, beide Enzyme physikalisch zu verbinden – wie zwei Pac-Man, die über ein Stück Schnur verknüpft sind“, erklärt Koautor John McGeehan von der University of Portsmouth.

Sechsmal schneller als die Mikrobe

Um das zu bewerkstelligen, nutzten die Forscher zunächst das fokussierte Röntgenlicht eines Elektronensynchrotrons, um die Struktur der MHETase bis auf die atomare Ebene hinab abzubilden. Dies erlaubte Rückschlüsse darauf, welche Molekülteile entscheidend für die Abbautätigkeit dieses Enzyms sind – und wo eine Bindung zur PETase möglich ist. Dann verkoppelten sie beide Enzyme mit einer kovalenten Bindung und testeten, wie effektiv dieses Doppelenzym PET abbaut.

MHTase und PETase
Die verbundenen Enyzme MHTase und PETase. © Rosie Graham

Das Ergebnis: „Wir waren begeistert zu sehen, dass unser neues Chimären-Enzym bis zu dreimal schneller arbeitet als die beiden einzelnen Enzyme“, sagt McGeehan. „Dies eröffnet neue Wege für weitere Optimierungen.“ Rechnet man dazu, dass die PETase im Labor bereits so optimiert wurde, dass sie zweifach schneller wirkt als ihr natürliches Gegenstück, ergibt sich sogar ein sechsfach höheres Abbautempo gegenüber den Mikroben.

Enzym-Cocktails als Recycling-Helfer

Nach Ansicht der Forscher könnten aus der Natur abgeleitete Enzym-Cocktails und Enzym-Chimären künftig dabei helfen, Plastikmüll abzubauen und die Umweltbelastung durch Kunststoffe zu reduzieren. Die Kombination mehrerer Enzyme könnte auch das Recycling-Problem nicht sortenreiner Plastikabfälle lösen. Denn bisher lassen sich solche Kunststoffmischungen kaum trennen und damit auch nicht zu neuem hochwertigen Plastik machen.

Doch spezielle Enzymcocktails könnte diese Trennarbeit übernehmen und so ein stoffliches Recycling möglich machen. „Das Konzept, synthetische Polymere in gemischten Plastikabfällen mit einem fortgeschrittenen Enzymmix abzubauen, eröffnet spannende Möglichkeiten über das PET hinaus“, sagen Knott und seine Kollegen. Denn damit könnten auch andere Polyester, Polyamide, Polyurethan oder auch Zellulosemischungen in ihre Grundbausteine zersetzt und so recycelt werden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020; doi: 10.1073/pnas.2006753117)

Quelle: University of Portsmouth

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