Vom Plastikmüll zu neuem Rohstoff: Forschende haben aus Komposterde ein Enzym isoliert, das PET-Plastik besonders schnell und effizient abbaut. Der PHL7 getaufte Wirkstoff zersetzt eine PET-Probe doppelt so schnell wie bisherige Enzyme und kann komplette PET-Verpackungen in ihre Grundbausteine zerlegen. Diese sind so rein, dass man aus ihnen wieder neues PET herstellen kann, wie die Experimente belegen. Dies eröffne neue Chancen für das Plastik-Recycling, berichtet das Team.
Plastik ist inzwischen in unserer Umwelt allgegenwärtig und leider sehr haltbar: Die Kunststoff-Polymere sind kaum biologisch abbaubar und können hunderte Jahre überdauern. Das macht auch ihre Entsorgung problematisch: Bisher wird Plastikmüll oft verbrannt, statt das Material wiederzuverwerten, weil das Recycling relativ aufwendig ist. Abhilfe schaffen könnten jedoch die in einigen Bakterien entdeckten Enzyme, die Kunststoffe wie PET oder Polyurethan in ihre Grundbausteine zerlegen können.
PET-abbauende Enzyme, sogenannte polyesterspaltende Hydrolasen, spalten die Bindungen zwischen den beiden PET-Bausteinen Terephthalsäure und Ethylenglycol und zersetzen dadurch das Plastik Als bester „Plastikzersetzer“ gilt bisher das Enzym LCC, das 2012 in Japan entdeckt wurde. Allerdings ist auch die Effizienz dieses Enzyms bisher eher begrenzt. Deshalb suchen Wissenschaftler weltweit nach besseren plastikabbauenden Enzymen.
Fund im Komposthaufen
Fündig geworden ist nun ein Team um Christian Sonnendecker von der Universität Leipzig. Sie hatten für ihre Studie Proben aus verschiedenen Komposthaufen nach den genetischen Signaturen für polyesterspaltende Hydrolasen durchsucht. „Pflanzenkomposte sind der Lebensraum für thermophile Mikroorganismen, die pflanzliche Polymere wie Cutin degradieren und die daher auch wertvolle Quellen für polyesterspaltende Enzyme sein könnten“, erklärt das Team.
Tatsächlich entdeckten die Forschenden sieben Gensignaturen von Polyester abbauenden Enzymen, darunter einem, das sich in weiteren Tests als besonders vielversprechend erwies. Dafür bauten sie das PHL7 getaufte Enzym-Gen in Laborkulturen des Bakteriums Escherichia coli ein, woraufhin diese Bakterien nun das PHL7-Enzym herstellten. Dieses gab das Team dann in einen Testbehälter mit PET-Stückchen in wässriger Lösung. Als Kontrolle diente ein Ansatz mit dem PET-abbauenden Enzym LCC.
Doppelt so schnell wie alle bisherigen Enzyme
Es zeigte sich: Das neuentdeckte Kompost-Enzym zersetzte die PET-Stücke deutlich schneller und gründlicher als das LCC: Innerhalb von 16 Stunden baute es 90 Prozent des PETs ab, das LCC-Enzym schaffte in der gleichen Zeit nur 45 Prozent. „Unser Enzym ist also doppelt so aktiv wie der Gold-Standard unter den polyesterspaltenden Hydrolasen“, sagt Sonnendecker. Nach 18 Stunden war das gesamte Plastik verschwunden – das PHL7 hatte es komplett zersetzt.
Ergänzende Analysen ergaben, dass das neue Enzym an einer entscheidenden Stelle seiner Proteinstruktur die Aminosäure Leucin trägt, während bei anderen polyesterspaltende Hydrolasen dort Phenylalamin sitzt. Dieser Austausch erleichtert offenbar die Bindung des Enzyms an das PET und könnte so zumindest zum Teil die höhere Effektivität des Abbaus erklären, wie die Forschenden berichten.
Recycling-Test: Von der Obstschale zu neuem PET
Nach Ansicht von Sonnendecker und seinen Kollegen eröffnet das PHL7-Enzym damit neue Chancen, das PET-Recycling voranzubringen. Dass eine echte Kreislaufwirtschaft mithilfe solcher Enzyme möglich ist, demonstrierten sie mit einem weiteren Experiment. Dafür zerschnitten sie eine komplette Obstschale aus PET-Kunststoff in drei mal drei Zentimeter kleine Stücke und gaben sie in die 60 Grad warme Enzymlösung.
Auch hier sorgte das Enzym für eine vollständige Zersetzung: Nach 48 Stunden waren die Plastikstücke bis auf wenige Kantenreste abgebaut – 98,8 Prozent des PET-Materials waren verschwunden. Anschließend extrahierte das Forschungsteam die beim Abbau erzeugten Terephthalsäure-Bausteine aus der Lösung. Dabei erreichte die Ausbeute rund 85 Prozent des theoretisch erreichbaren Maximums, die Reinheit lag bei 94 Prozent.
Der Clou dabei: Diese recycelten Terephthalsäure-Bausteine nutzten die Wissenschaftler anschließend, um daraus neues PET zu machen. „Das resultierende PET hatte Eigenschaften, die mit kommerziellem amorphen PET vergleichbar sind“, so das Team.
Weiterentwicklung in Arbeit
„Der jetzt in Leipzig entwickelte Biokatalysator hat sich damit als hochwirksam bei der schnellen Zersetzung von gebrauchten PET-Lebensmittelverpackungen gezeigt und eignet sich für eine Anwendung in einem umweltfreundlichen Recyclingverfahren, bei dem aus den Abbauprodukten wieder neues Plastik hergestellt werden kann“, sagt Seniorautor Wolfgang Zimmermann von der Universität Leipzig. Das Team sucht bereits nach Industriepartnern, um den enzymatischen PET-Abbau mit PHL7 weiterzuentwickeln.
In den kommenden zwei bis drei Jahren soll ein Prototyp entstehen, der es erlaubt, auch die ökonomischen Vorteile des biologischen Recyclingverfahrens genauer zu beziffern. Außerdem arbeiten die Wissenschaftler bereits an einer Vorbehandlung, durch die auch das gestreckte PET von Plastikflaschen von dem neuen Enzym abgebaut werden kann. Das Plastik von Obstverpackungen, Folien und anderen PET-Anwendungen lässt sich jedoch schon jetzt ohne eine solche Behandlung mit dem Enzym zersetzen. (ChemSusChem, 2022; doi: 10.1002/cssc.202101062)
Quelle: Universität Leipzig