Neurobiologie

Erfolgreicher Zuhören im richtigen Takt

Gleicher Rhythmus der Hirnwellen erleichtert uns die selektive Aufmerksamkeit

In einer lauten Umgebung das Wichtige herausfiltern: eine hohe Anforderung an unser Aufmerksamkeitssystem © Kerstin Flake/ MPI CBS

Im Einklang mit dem Gegenüber: Wenn es darum geht, aus einer Vielzahl von Geräuschen eine Stimme herauszufiltern, bestimmt der Rhythmus unserer Hirnströme den Hörerfolg. Das enthüllt nun ein Experiment von Neurowissenschaftlern. Demnach verstehen wir unser Gegenüber besser, wenn die sogenannten Alpha-Wellen unseres Gehirns im Takt seiner Sprache schwingen.

Eine Durchsage am Bahnsteig, das Quietschen des einfahrenden Zuges, die Gesprächsfetzen umgebender Passanten: In den meisten Alltagssituationen sind wir unzähligen Höreindrücken ausgesetzt. Nur wenige davon sind jedoch für uns von Bedeutung. In einer Umgebung mit vielen Hintergrundgeräuschen nur das wirklich Wichtige herauszufiltern – zum Beispiel die Stimme unseres Gegenübers –, stellt hohe Anforderungen an unser Aufmerksamkeitssystem.

Sich in solchen Cocktailparty-Situationen auf ein Gespräch zu konzentrieren, fällt Männern offensichtlich leichter als Frauen, wie Forscher herausgefunden haben. Doch wie gut jemand selektiv Zuhören kann, hängt nicht nur vom Geschlecht ab. Wissenschaftler um Malte Wöstmann vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben untersucht, was den Erfolg beim Zuhören bestimmt – und herausgefunden: Es kommt auf die Wellen in unserem Gehirn an.

Aufmerksamkeit in schwierigen Hörsituationen

Für ihre Studie setzten die Forscher ihre Probanden schwierigen Hörsituationen aus. Sie spielten ihnen über einen Kopfhörer gleichzeitig jeweils unterschiedliche Zahlen auf dem linken und rechten Ohr vor. Ein Piepton auf einem Ohr zu Beginn jeder Messung signalisierte den Versuchspersonen, auf welche Seite sie ihre Aufmerksamkeit richten sollten.

Was bei dieser Aufgabe im Gehirn der Versuchspersonen vor sich ging, erfassten Wöstmann und seine Kollegen mithilfe der Magnetenzephalografie. Damit lassen sich winzige Spannungsänderungen an der Kopfoberfläche ableiten, sodass die Hirnströme sichtbar gemacht werden können.

Alpha-Wellen pendeln rhythmisch

Besondere Aufmerksamkeit schenkte das Team dabei den mit der Aufmerksamkeit verknüpften Alpha-Wellen. Ihre Stärke zeigt die Höranstrengung des Zuhörers an. „Die Größe der Alpha-Wellen erhöht sich jeweils auf der Seite im Gehirn, auf der zu hören ist, was wir als wichtig erachten“, erklärt Wöstmann. „Der Unterschied im Ausschlag der Alpha-Wellen zwischen der linken und der rechten Gehirnhälfte verrät also, ob ein Zuhörer die Aufmerksamkeit nach links oder rechts richtet.“

Auf ein gesprochenes Wort reagiert das Gehirn zunächst mit der typischen Antwort in der Hörrinde. Rund eine halbe Sekunde später verändert sich die Alpha-Aktivität jedoch deutlich. Die Alpha-Wellen passen sich an die Geräusche an, die wir heraushören wollen. „Das Gehirn pendelt also in schwierigen Hörsituationen zwischen zwei Zuständen: der normalen Verarbeitung der akustischen Information einerseits und der selektiven Aufmerksamkeit andererseits“, so die Forscher.

Einklang bring Hörerfolg

Dieses rhythmische Pendeln der Alpha-Wellen scheint für erfolgreiches Zuhören in lauten Umgebungen von besonderer Bedeutung zu sein. Im Test zeigte sich: Eine Person gab umso mehr Zahlen richtig wieder, je besser sich die Alpha-Aktivität ihres Gehirns im Rhythmus der gesprochenen Sprache veränderte. Je stärker die Alpha-Wellen unseres Gehirns im Rhythmus der Sprache schwingen, der wir lauschen wollen, desto größer ist demnach unser Hörerfolg.

Das Interessante dabei: Diese Schwankungen der Alpha-Wellen treten nicht nur in den bereits lange bekannten Aufmerksamkeitsarealen im Scheitellappen des Großhirns auf, sondern auch direkt in der Hörrinde, die die akustischen Reize verarbeitet. „Wir wollen nun herauszufinden, wie es sich mit diesen Hirnprozessen bei Personen im mittleren und höheren Lebensalter verhält, wenn die Probleme in schwierigen Hörsituationen bekanntlich vermehrt auftreten“, schließen die Forscher. (PNAS, 2016; doi: 10.1073/pnas.1523357113)

(Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig, 22.03.2016 – DAL)

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