Überraschend anders: Forscher haben die bisher umfassendste Kartierung der weltweit gut 20.000 Bienenarten durchgeführt – und interessante Auffälligkeiten entdeckt. So kommen die meisten Bienen nicht etwa in den artenreichen Tropen vor, sondern in den gemäßigten Breiten der Nord- und Südhalbkugel. Anders als viele andere Tiere erreichen die Bienen zudem ihre höchsten Artenzahlen in eher trockenen Klimazonen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Biene gehören zu den wichtigsten Bestäuberinsekten und zu den artenreichsten Tiergruppen überhaupt. Denn weltweit umfasst die Gruppe der Apiformes mehr als 20.300 Spezies – das sind mehr als alle Vögel und Säugetiere zusammen. Die Spanne reicht von so bekannten Vertretern wie den Hummeln, der Honigbiene oder Mauerbienen über unzählige weniger bekannte stacheltragende und stachellose Hautflügler.
Enorme Lücken in den Daten
Doch trotz ihrer großen Bedeutung und Zahl ist die Verbreitung und Verteilung der Bienen bisher erstaunlich wenig erforscht. „Ich war überrascht, wie schrecklich dünn die meisten globalen Daten zur Bienen-Diversität bislang waren“, sagt Alice Hughes vom Zentrum für Integrativen Artenschutz der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. „Viele Daten sind zu lückenhaft oder konzentrieren sich auf eine kleine Zahl von Standorten und Ländern.“
Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Hughes und ihre Kollegen alle verfügbaren Daten über die Verbreitung der Bienen zusammengetragen und daraus die bislang umfassendste Bestandsaufnahme der globalen Bienenverteilung erstellt. Ihre Kartierung basiert auf mehr als 5,8 Millionen Einzeldaten, die sie zunächst auf Dopplungen, Fehlbestimmungen und andere Fehler überprüften.
Schon bei den vorbereitenden Auswertungen zeigten sich enorme Unterschiede in der regionalen Abdeckung: „Nur zwölf Prozent der Länder haben 95 Prozent ihrer Fläche auf das Bienenvorkommen hin erkundet, in 55 Prozent der Länder ist dagegen weniger als ein Viertel der Fläche erfasst“, berichten die Forscher. Besonders lückenhaft seien weite Teile Asiens und Afrikas: „So hat China beispielsweise den sechstgrößten Anteil an allen Bienenarten, aber nur für sieben Prozent davon gibt es bislang Daten.“
Verteilung ganz anders als andere Bestäuber
Dennoch gelang es den Wissenschaftlern, aus diesen Daten eine gewichtete Liste und Karten zu erstellen, die erstmals einen globalen Überblick übe die Verteilung der Bienenarten geben. Dabei zeigten sich gleich mehrere Auffälligkeiten. Zum einen weicht die Artenvielfalt der Bienen deutlich von der der meisten anderen Tiergruppen ab: Während diese meist in den warm-feuchten Tropen rund um den Äquator ihre größten Artenreichtum erreichen, ist dies bei den Apiformes anders.
„Große Hotspots der Bienenvielfalt sind im Südwesten der USA zu beobachten, im Mittelmeerraum und dem Nahen Osten, sowie in Australien und Südafrika“, berichten Hughes und ihre Kollegen. All diese Regionen sind durch ein eher trockenes Klima mit Wüsten und Steppen gekennzeichnet. „In den Tropen dagegen ist die Artenzahl der Bienen allgemein weit geringer“, so die Forscher. Selbst in gemäßigten Breiten kommen mehr Bienen vor als in Äquatornähe.
Dadurch ergibt sich auf der Weltkarte eine bimodale Verteilung der Bienen: Ihre artenreichsten Hotspots ziehen sich in zwei breiten Streifen – einem auf der Nordhalbkugel und einem auf der Südhalbkugel – rund um den Globus. „Das kontrastiert stark mit anderen Bestäubergruppen, die typischerweise in den äquatorialen Tropen ihre größte Artenvielfalt erreichen“, sagen Hughes und ihre Team.
Vorliebe für trockenere, waldlose Regionen
Aber warum ist das so? Auf den ersten Blick scheint diese Vorliebe der Bienen für Wüsten und Steppen paradox. Denn dort ist die Vegetation auf den ersten Blick weit karger als in den Tropen. Doch wie die Forscher erklären, sind für die Bienen vor allem die Pflanzengemeinschaften günstig, in denen das Klima zwar warm ist, aber es auch viele, zu verschiedenen Zeiten blühende Pflanzenarten gibt.
„Wenn es in der Wüste regnet, dann gibt es diese unvorhersehbaren Massenblüten, die die gesamte Region mit einem Blütenmeer frisch austreibender Kräuter bedecken“, erklärt Hughes Kollege Michael Orr. „Weil diese Futterquellen fleckenhaft auftreten und zu verschiedenen Zeiten, gibt es dort viel Potenzial für verschiedene Bienenarten.“
In dichten Wäldern und Regenwäldern dagegen gibt es meist nur wenige krautige Blütenpflanzen am Waldboden. Und die Bäume selbst liefern den Bienen weniger geeignete Nahrung als die kurzlebigeren und kleineren Gewächse.
Wichtiger Ansatzpunkt für weitere Forschungen
Nach Ansicht der Wissenschaftler ist ihre Weltkarte der Bienen-Diversität trotz aller Datenlücken ein erster wichtiger Schritt hin zum besseren Verständnis dieser so wichtigen Bestäuberinsekten. „Viele Nutzpflanzen, vor allem in den Entwicklungsländern sind von der Bestäubung durch Wildbienen abhängig“, sagt Hughes. „Aber über sie gibt es nicht einmal ansatzweise genügend Daten. Unsere Ergebnisse liefern nun einen Referenzwert und Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen.“
Angesichts des Klimawandels und der umfassenden Veränderungen der Lebensräume und Landnutzung sei es besonders wichtig, die Verbreitung und Umweltanforderungen der Bienen besser zu kennen. „Angesichts der engen Verknüpfung der Bienenvielfalt mit klimatischen Faktoren, könnten der Klimawandel und seine Auswirkungen die Bienen auf vielfältige und komplexe Weise beeinflussen“, so die Forscher. „Wie genau, muss nun weitere Forschung klären.“ (Current Biology, 2020; doi: 10.1016/j.cub.2020.10.053)
Quelle: Cell Press