Die Entscheidung ist gefallen: Die EU-Zulassung für das umstrittene Herbizid Glyphosat wird um fünf weitere Jahre verlängert. In der gestrigen Sitzung des zuständigen EU-Ausschusses stimmten 18 Staaten für die Zulassung, neun Länder dagegen, darunter auch Frankreich und Italien. Wegen der Uneinigkeit innerhalb der Noch-Regierungskoalition hätte sich Deutschland eigentlich enthalten müssen. Doch Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) stimmte dafür – und sorgt damit nun für eine Eklat.
Kaum ein anderes Pestizid ist so umstritten wie Glyphosat. Denn das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid trägt zur Verarmung der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft bei und steht im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Im Jahr 2015 hat die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO Glyphosat deshalb offiziell als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Im Gegensatz dazu fanden zwei andere EU-Behörden, die Agenturen für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und für Chemikalien (ECHA) keinen Grund für Besorgnis.
Der Streit
Weil die Zulassung für Glyphosat bereits 2016 ausgelaufen ist, versucht die EU seit Monaten, eine Entscheidung über eine Neuzulassung zu treffen. Doch innerhalb der EU-Länder herrscht in Bezug auf Glyphosat keine Einigkeit: Mehrere Länder, darunter Frankreich, lehnen eine weitere Genehmigung des Herbizids ab, andere hielten die ursprünglich anvisierte Zulassungsverlängerung um 15 Jahre für zu lang.
Auch innerhalb der deutschen Noch-Regierungskoalition herrscht Uneinigkeit: Während das Umweltministerium unter Barbara Hendricks (SPD) gegen die Zulassungsverlängerung des Pestizids ist, ist das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium dafür. In bisherigen Abstimmungen enthielt sich Deutschland daher, wie dies für solche Fälle vorgesehen ist.
Die Entscheidung
Gestern ist nun die Entscheidung gefallen: Nötig für eine gültige Abstimmung ist eine Mehrheit von mindestens 16 Ländern, die 65 Prozent der EU-Bevökerung repräsentieren. Diese Mehrheit wurde nun gestern erstmals erreicht – möglicherweise auch, weil die EU-Kommission die Zulassungsdauer von 15 auf fünf Jahre heruntergesetzt hatte.
Im zuständigen Ausschuss der EU-Kommission stimmten gestern 18 der 28 EU-Staaten für eine erneute Zulassung für fünf Jahre, darunter auch Deutschland. Neun Länder stimmten dagegen, darunter Frankreich, Italien und Österreich. Portugal enthielt sich. Damit darf Glyphosat in der EU fünf weitere Jahre eingesetzt werden.
Die Reaktionen
Umweltorganisationen kritisieren die Neuzulassung des Glyphosats. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 erwägt sogar rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der EU-Staaten. Der Europaabgeordnete Martin Häusling von den Grünen sprach gegenüber der tagesschau von einem „echten Skandal“, weil die EU nicht einmal Einschränkungen für die Verwendung des Glyphosats beschlossen habe.
Andere sehen jedoch in der befristeten Neuzulassung eine Chance, die tatsächlichen Auswirkungen des Glyphosats bresser erforschen zu können. Zudem könne man in dieser Zeit nach sinnvollen Alternativen suchen. Das sieht auch Frankreichs Agrarminister Stéphane Travert so: „Dies sind nun fünf Jahre, in denen wir nach Alternativen suchen können – fünf Jahre, in denen wir Forschung und Innovation mobilisieren, damit wir in Zukunft die landwirtschaftliche Praxis für unsere Bauern und die Umwelt umstellen können“, erklärt er in einem Radiointerview.
Deutsches „Ja“ sorgt für Eklat
Für Empörung sorgt das Verhalten des deutschen Agrarministers Christian Schmidt (CSU), der als Vertreter der Bundesregierung an der Abstimmung teilgenommen hat. Denn er stimmte im Namen Deutschlands für eine erneute Glyphosat-Zulassung, obwohl er sich wegen Uneinigkeit in der Regierungskoalition hätte enthalten müssen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks erklärte dazu: „Genau zwei Stunden vor Beginn der Sitzung des Berufungsausschusses, nämlich heute um 12:30 Uhr, habe ich gegenüber dem Kollegen Schmidt telefonisch eindeutig erklärt, dass ich mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden bin, auch nicht unter bestimmten Konditionen. Es war daher klar, dass Deutschland sich auch in der Sitzung des Berufungsausschusses enthalten musste.“ Doch genau dies tat Schmidt nicht. Ob er dafür entsprechende Anweisungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel erhalten hat, ist zurzeit noch unklar.
(BMU, Science news, tagesschau, Greenpeace, 28.11.2017 – NPO)