Paläontologie

Europas Dinos waren keine Zwerge

Dino-Fund in Italien widerlegt Hypothese einer kreidezeitlichen Inselverzwergung

Tethyshadros insularis
Die in der Kreidezeit in Europa lebenden Entenschnabelsaurier waren größer als bisher gedacht. © Davide Bonadonna

Torpedierte Theorie: In der Nähe von Triest haben Forscher den größten und vollständigsten Kreidezeit-Dinosaurier Italiens entdeckt – das Skelett eines rund 80 Millionen Jahre alten Hadrosaurier-Verwandten. Der kreidezeitliche Pflanzenfresser ist deutlich größer als ein früheres Fossil dieser Art und zeigt keinerlei Anzeichen eines Zwergwuchses. Damit widerlegt der Fund die Hypothese, dass das in viele Inseln zerfallene Europa eine Inselverzwergung bei Dinosauriern hervorbrachte.

In der späten Kreidezeit war Europa noch kein von Land dominierter Kontinent, sondern ähnelte eher einem Archipel aus vielen größeren und kleineren Inseln. Besonders im Gebiet des heutigen Südosteuropa ragten vor rund 80 Millionen Jahren nur die höherliegenden Bereiche der adriatischen Karbonatplattform aus dem Meer und bildeten eine tropisch-milde Inselwelt.

Schädel
Der Schädel des neuen Tethyshadros-Fossils. © A. Giamborino/ Soprintendenza Archeologia del Friuli-Venezia Giulia

Paläontologen vermuten, dass diese Inselwelt auch eine Ausbreitungsbarriere für viele Tiere und vor allem die Dinosaurier darstellten. Der gängigen Hypothese nach mieden viele aus Asien kommende Dinosaurier das europäische Archipel. Andere erreichten zwar die Inseln, entwickelten dort aber aus Mangel an Platz und Nahrung Zwergformen.

Mini-Hadrosaurier als Kronzeuge

Als ein wichtiger Beleg für diese Inselverzwergung der europäischen Kreidezeit-Dinosaurier galt bisher ein in den frühen 1990er Jahren in der Nähe von Triest entdecktes Fossil. Der Tethyshadros insularis getaufte Fund war für einen Vertreter der pflanzenfressenden Hadrosaurier ungewöhnlich klein: Anders als die meist mehr als zehn Meter langen Entenschnabel-Dinosaurier erreichte er nur eine Länge von vier Metern und wog nur knapp 340 Kilogramm – so jedenfalls schien es bisher.

Doch der Fund eines weiteren Fossils dieser Art zeichnet nun ein ganz anderes Bild. Entdeckt haben es Paläontologen um Alfio Alessandro Chiarenza von der spanischen Universität Vigo, als sie an der berühmten Fossilfundstelle Villaggio del Pesca bei Triest weitere Ausgrabungen durchführten. Neben zahlreichen Fossilien von Fischen, kleinen Krokodilen, Krebsen, einem Flugsaurier-Knochen und weiteren Kreidezeitrelikten stießen sie auch auf ein weiteres fast vollständiges Skelett von Tethyshadros insularis und die fragmentarische Relikte von sechs weiteren Exemplaren.

Neuentdecktes Fossil ist größer

Das Überraschende jedoch: Das neuentdeckte Skelett ist deutlich größer als das vor rund 30 Jahren gefundene Typexemplar dieser Art. „Die Länge des Schädels und Schwanzes spricht für eine Körpergröße, die um 20 Prozent über der des Holotyps lag“, berichten die Forscher. Das Lebensgewicht dieses Dinosauriers könnte zudem bei 500 statt bei nur knapp 340 Kilogramm gelegen haben. „Damit war Tethyshadros zwar immer noch schmächtig, aber durchaus im Rahmen anderer früher Hadrosaurier“, schreibt das Team.

Aber woher kommt der Größenunterschied? Eine Antwort lieferte ein detaillierter Vergleich beider Fossilien. Aus diesem geht hervor, dass der Holotyp entgegen bisheriger Annahmen keineswegs ausgewachsen war. Stattdessen handelte es sich bei dem Exemplar aus den 1990er Jahren wahrscheinlich um ein halbwüchsiges Jungtier, wie die Paläontologen feststellten. Der neue Fund könnte hingegen voll ausgewachsen sein.

GRößenvergleich
Das „Antonio“ getaufte Jungtier und das neuentdeckte Tethyshadros-Fossil eines Adulten.© University of Bologna

Kein Hinweis auf eine Inselverzwergung

Damit jedoch wirft der Fund ein ganz neues Licht auf die vermeintliche Verzwergung der europäischen Dinosaurier: „Unser vergleichender Ansatz ergibt keinerlei Hinweise auf eine generelle Miniaturisierung der Hadrosaurier-Verwandten in dieser Region und wiederspricht ihrem Zwerg-Status“, konstatieren Chiarenza und seine Kollegen. Der vermeintliche „Kronzeuge“ für die Inselverzwergung ist demnach keiner.

Hinzu kommt: Das europäische Archipel könnte vor rund 80 Millionen Jahren zugänglicher gewesen sein als bislang angenommen. Denn neueren Studien zufolge waren die aus dem Wasser ragenden Teile der Adriatischen Karbonatplattform eher große Eilande als kleine Inselchen, wie das Team berichtet. Über Landbrücken waren diese Inseln zudem zeitweilig mit den größeren Landmassen Asiens und des heutigen Westeuropas verbunden, so dass gerade größere Tiere wie die Dinosaurier von Asien aus nach Europa überwechseln konnten.

Landbrücken nach Asien

Auch die Vorfahren von Tethyshadros insularis kamen den Paläontologen zufolge aus Asien ins Gebiet des heutigen Norditalien. „Unsere Resultate stützen eine mehrphasige Ausbreitung der Hadrosauroiden von Asien nach Europa“, konstatieren Chiarenza und seine Kollegen. Europas Dinosaurier waren demnach weniger isoliert als lange angenommen – und auch keine außergewöhnlich kleinen Zwerge. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-02490-x)

Quelle: Università di Bologna

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