„Tit for tat“ setzt sich durch
Der Bonner Professor für Wirtschaftswissenschaften Lorens Imhof hat zusammen mit seinen Kollegen Drew Fudenberg und Martin Nowak von der Universität Harvard mathematisch untersucht, welches Verhalten sich in einer Gruppe von Individuen durchsetzt, wenn man das Gefangenen- Dilemma viele Male hintereinander durchspielt.
„Wir sind dabei von drei unterschiedlichen Verhaltensmustern ausgegangen“, erklärt Professor Imhof. „Zum einen gab es Personen, die immer kooperierten, also ihren Komplizen nie verpfeifen würden, unabhängig davon, wie der mit ihnen umspringt. Dann gab es Personen, die immer Verrat übten. Und schließlich war da noch eine dritte Teilgruppe, die nach dem Motto ‚wie du mir, so ich dir‘ verfuhr: Sie machten ihre Entscheidung ‚Kooperation oder Verrat‘ davon abhängig, wie sie selbst in der Runde zuvor behandelt worden waren.“ „Tit for Tat“ heißt diese Strategie im Englischen: Zunächst einmal verhalte ich mich kooperativ, wenn du mich aber verpfeifst, verpfeife ich dich beim nächsten Mal auch.
Ererbte Verhaltensstrategie
Nach zehn Runden wurde ausgewertet, wie viele Jahre Gefängnis jede Person auf ihrem virtuellen Buckel hatte. Danach bekamen manche der Mitspieler Nachkommen. Je weniger Gefängnisjahre, desto besser waren sie mit ihrem Verhalten gefahren und desto höher ihre evolutionäre Fitness – sprich: die Chance, Kinder in die Welt zu setzen. Für jeden Neugeborenen starb ein zufällig ausgewähltes Mitglied der Elterngeneration, so dass die Gesamtzahl der Mitspieler konstant blieb.
„In der Regel erbten die Nachkommen die Spielstrategie ihrer Eltern“, erläutert Imhof. „Manchmal konnte die Strategie aber auch zufällig mutieren. Nachkommen eines ‚Verräters‘ spielten dann beispielsweise ‚Tit for Tat‘ oder umgekehrt.“ Durch Mutation und Selektion konnte sich die Spielstrategie der Gruppe daher im Laufe der Evolution verändern.
In begrenzten Populationen ist Kooperation Trumpf
Derartige „Evolutionsspiele“, die auf dem Gefangenen-Dilemma basieren, sind nicht neu. In unendlich großen Populationen setzen sich dabei in der Regel die „Verräter“ durch – Kooperation wird bestraft. „Wir gehören jedoch weltweit zu den ersten Arbeitsgruppen, die diese Analyse für beschränkte Bevölkerungsgrößen durchgeführt haben“, betont Imhof. Eine realistische Annahme; Populationen sind schließlich nie unendlich groß.
Erstaunliches Ergebnis: In Gruppen von 30 bis 60 Personen setzen sich abwechselnd alle drei Strategien durch. Und zwar in strenger
Reihenfolge: Zunächst kooperieren fast alle Mitspieler, einige Generationen später gibt es plötzlich nur noch Verräter, bevor sich schließlich die Anhänger von „Tit for Tat“ durchsetzen. „Tit for Tat“ ist dabei mit Abstand am stabilsten: Hat sich diese Strategie einmal etabliert, dauert es vergleichsweise lange, bis wieder die Kooperationswilligen die Gruppe dominieren. Professor Imhof: „In begrenzten Populationen haben Verräter keine Chance, sich dauerhaft zu halten.“
(Universität Bonn, 27.07.2005 – NPO)
27. Juli 2005