Uraltes Patent der Natur: Bisher galten die Dinosaurier als „Erfinder“ echter, verzweigter Federstrukturen. Doch ein Flugsaurier-Fossil weckt daran nun Zweifel. Denn der 115 Millionen Jahre alte Pterosaurier trug ebenfalls schon verzweigte und mehrfarbige Federhärchen am Kopf. Das spricht dafür, dass die Flugsaurier und Dinosaurier die Anlage für Federn von ihren gemeinsamen Vorfahren erbten, wie Forschende in „Nature“ berichten.
Wann entstanden die ersten echten Federn im Tierreich? Schon länger ist klar, dass Vögel nicht die ersten Träger eines Federkleids waren. Denn schon bei Dinosauriern finden sich wärmende Daunenfedern und sogar bunt gefärbte Gefieder. Fossile Federfunde sowohl bei den zweibeinig laufenden Raubdinosauriern aus der Gruppe der Theropoden als auch bei den pflanzenfressenden Vogelbecken-Dinosauriern legen zudem nahe, dass möglicherweise schon der Ur-Dinosaurier Federn entwickelt hatte.
Fund am Kopfkamm eines Flugsauriers
Strittig war jedoch bisher, ob die Erfindung der Federn vielleicht sogar noch weiter zurückreicht. Ein Anhaltspunkt dafür wäre es, wenn die Pterosaurier als direkte Schwestergruppe der Dinos ebenfalls schon Federn getragen hätten. Genau dafür fehlten aber bisher eindeutige fossile Belege. Zwar trugen einige Flugsaurier haarähnliche Pycnofasern und büschelige Protofedern. Der klassische Federtyp mit regelmäßig vom Federschaft abgehenden Verzweigungen fehlte hingegen bisher.
Doch genau diesen Beleg haben jetzt Paläontologen um Aude Cincotta vom Königlich Belgischen Institut für Naturkunde in Brüssel gefunden. Entdeckt haben sie ihn an dem 113 Millionen Jahre alten Fossil des Pterosauriers Tupandactylus imperator aus Brasilien. Dieser Flugsaurier besaß eine Flügelspanweite von rund fünf Metern und trug als auffälligstes Merkmal einen großen, von zwei Knochenspornen aufgespannten Hautkamm auf dem Kopf.
Zentraler Schaft mit abzweigenden Federästen
An der Basis dieses fossilen Hautkamms entdeckten die Paläontologen mehrere versteinerte Überreste von teils fädigen, teils verzweigten Strukturen. Nähere Analysen enthüllten, dass diese verzweigten Strukturen der klassischen Form einer Feder stark ähnelten: „Jede Struktur zeigte einen zentralen, schwer erkennbaren Schaft, der sich zur Spitze hin verjüngt“, berichtet das Team. „Von diesem gehen fast auf der gesamten Länge eng nacheinander kurze, gerade Sekundärfasern ab.“
Wie die Forschenden erklären, entspricht diese Struktur ziemlich genau der von sogenannten Stadium-III-Federn der heutigen Vögel: Federäste zweigen regelmäßig von einem zentralen Schaft ab. „Das ist ein starker Beleg dafür, dass diese fossilen verzweigten Strukturen tatsächlich Federn sind“, schreiben Cincotta und ihre Kollegen. „Zudem stimmt dies mit anderen potenziellen Funden verzweigter Federn bei Pterosauriern aus der jüngsten Zeit überein.“
Melanosomen sprechen für farbige Federn
Gestützt wird die Federnatur der verzweigten Fossilstrukturen durch den Nachweis mehrerer unterschiedlich geformter Melanosomen in diesen Federn. Dabei handelt es sich um körnchenartige Pigmentzellen, die das Pigment Melanin enthalten und die je nach Form verschiedene Farben erzeugen können. „Bei heutigen Vögeln ist die Federfarbe eng mit der Form der Melanosomen verknüpft“, erklärt Koautorin Maria McNamara vom University College Cork.
Da auch die Federstrukturen und einige Hautreste von Tupandactylus imperator solche verschiedenartig geformten Melanosomen aufweisen, könnte dies auf einen mehrfarbigen Kopfkamm dieses Flugsauriers hindeuten. Möglicherweise erregte der auffallende Kamm dieses Pterosauriers demnach nicht nur durch seine Form Aufsehen, sondern auch durch eine bunte Färbung – und übermittelte potenziellen Partnerinnen oder Rivalen visuelle Signale.
„Dieses Merkmal zeigt, dass die Färbung schon bei den frühesten Federn eine entscheidende Eigenschaft war“, erklären die Forschenden.
Ursprung beim gemeinsamen Vorfahren
Nach Ansicht der Paläontologen belegt das Fossil des Tupandactylus imperator damit, dass auch die Pterosaurier schon echte und wahrscheinlich farbige Federn trugen. „Seit Jahrzehnten debattieren Paläontologen darüber, ob die Flugsaurier schon Federn besaßen. Die Federn an unserem Exemplar beenden diese Debatte ein für alle Mal.“ Allerdings bleibt die Frage, ob die Pterosaurier und Dinosaurier ihre Federn unabhängig von einander entwickelt haben oder ob diese Strukturen auf den gemeinsamen Vorfahren beider Gruppen zurückgehen.
Um das herauszufinden, führten Cincotta und ihr Team eine ergänzende Stammbaumanalyse durch. Diese ergab mit 84-prozentiger Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einfache Federtypen wie fädige und büschelige Protofedern vermutlich auf den gemeinsamen Vorfahren beider Sauriergruppen zurückgehen. „Die immer komplexer werdenden Strukturen entwickelten sich dann parallel sowohl innerhalb der Pterosaurier als auch bei den theropoden Dinosauriern“, schreibt das Team.
Sollte sich dies bestätigen, dann verschiebt sich die „Erfindung“ der Federn durch die Natur deutlich weiter in die Vergangenheit: Schon in der frühen Trias vor rund 250 Millionen Jahren könnten dann die Vorfahren der Dinosaurier und Pterosaurier erste Protofedern besessen haben. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04622-3)
Quelle: University College Cork