Staubige Gefahr: In Regionen mit hoher Feinstaubbelastung ist das Risiko, an der Grippe zu erkranken, etwa doppelt so hoch wie in Regionen mit wenig Feinstaub, wie eine Studie jetzt zeigt. Auch Kälte und Niederschlagsmenge bestätigten sich als Risiko-Faktoren für eine Influenza-Erkrankung. Ein möglicher Grund: Sowohl Kälte als auch Feinstaub machen unser Immunsystem anfälliger für Viren.
Hohes Fieber, Gliederschmerzen und Husten, wohin man schaut: Aktuell hat die Grippe wieder Hochsaison. Vor allem in den kalten Monaten von Januar bis März haben die lästigen Influenza-Viren leichtes Spiel. Mehr als die Hälfte aller Grippe-Erkrankungen fallen in dieses Quartal. Woran liegt das? Einerseits halten wir uns im Winter häufiger drinnen auf, was eine Ansteckung wahrscheinlicher macht. Andererseits können sich Viren in der kalten Nase besonders gut ausbreiten. Denn kühlere Temperaturen schwächen unsere Immunantwort.
Umwelt trifft Grippe
Um herauszufinden, ob neben Kälte auch andere Umweltfaktoren unser Grippe-Risiko beeinflussen, haben Forschende um Jörn Rittweger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt eine Kohortenstudie in Baden-Württemberg durchgeführt. Die Erhebung umfasst fast vier Millionen Menschen und reicht über einen Zeitraum von neun Jahren, von 2010 bis 2018.
Rittweger und seine Kollegen analysierten, wie innerhalb dieser Zeitspanne verschiedene Umweltbedingungen – darunter Temperatur, Niederschlag, UV-Strahlung und Feinstaubbelastung – mit der Anzahl der Influenza-Fälle zusammenhingen. Die Angaben zu den Grippe-Erkrankten stammen von der AOK Baden-Württemberg, die anonymisierte Krankheitsdaten ihrer Versicherten beisteuerte.
Viele Grippe-Erkrankte durch Feinstaub
Das Ergebnis: Kälte ist laut den Analysen von Rittwegers Team zwar tatsächlich der größte Risikofaktor für eine Grippe-Erkrankung, doch direkt auf Rang zwei folgt die Feinstaubbelastung. Demnach ist das Grippe-Risiko in Regionen mit den höchsten gemessenen Feinstaubwerten in etwa doppelt so hoch wie in Regionen mit der niedrigsten Feinstaubbelastung. Die Forschenden führen insgesamt 300 bis 500 Grippe-Fälle pro 100.000 AOK-Kunden auf Feinstaubbelastung zurück.
Aber wie macht uns Feinstaub empfänglicher für die Grippe? „Es ist bekannt, dass Feinstaub Entzündungsreaktionen auslöst, die zu einer chronischen Schädigung der Atemwege führen und Infektionen begünstigen können“, schreiben Rittweger und sein Team. Damit dieser immunschwächende Effekt eintritt, müssen wir aber nicht den ganzen Tag lang neben einer Hauptstraße stehen. Denn auch in Innenräumen emittieren Heizen, Kochen und Laserdrucker Feinstaub.
Draußen könnte der Feinstaub außerdem dazu beitragen, dass sich Viruspartikel in der Luft stabilisieren, erklären die Wissenschaftler. Die Viren lagern sich dabei an den Staubpartikeln und Aerosolen ab. Das wiederum könnte sie etwa resistenter gegen die Wirkung von UV-Licht machen, welches Viren normalerweise inaktivieren kann.
Stickstoffoxide kein Risiko-Faktor
Neben Kälte und Feinstaubbelastung stellte sich auch die Niederschlagsmenge als moderater Risiko-Faktor heraus, wie Rittweger und seine Kollegen berichten. Sie führen etwa 200 Grippe-Fälle pro 100.000 AOK-Kunden auf erhöhte Regen- und Schneemengen zurück. Hohe Stickstoff- und Schwefeldioxid-Konzentrationen in der Luft begünstigen eine Grippe-Erkrankung laut Hochrechnungen jedoch nicht signifikant.
In Zukunft wollen die AOK Baden-Württemberg und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt weiter kooperieren und die Rolle verschiedener Umweltfaktoren auch bei der Entstehung anderer Krankheiten untersuchen. (Quelle: Environmental Health, 2022; doi: 10.1186/s12940-022-00927-y)
Quelle: Environmental Health, AOK Baden-Württemberg