Medizin

Feinstaub gelangt bis in die Plazenta

Erster Nachweis von Rußpartikeln im Mutterkuchen schwangerer Frauen

Ruß und Feinstaub aus der Luft gelangen über das Blut bis in die Plazenta von Schwangeren - und so auch in das ungeborene Kind. © janulla/ iStock.com

Belastung im Mutterleib: Erstmals haben Forscher nachgewiesen, dass Rußpartikel aus der Luft bis in die Plazenta von Schwangeren gelangen können. Das könnte erklären, wie und warum Feinstaub schon bei ungeborenen Kindern Gesundheitsschäden verursachen kann. Die Wissenschaftler wiesen die Schadstoffpartikel in Fresszellen des Mutterkuchens nach. Ihrer Ansicht liegt es nahe, dass der Ruß von dort auch in den Körper des Kindes gelangt.

Feinstaub aus Ruß und anderen Partikeln ist längst ein weltweites Problem, dem bis zu 4,5 Millionen Menschen jährlich zum Opfer fallen könnten. Denn die winzigen Partikel dringen tief in die Lunge ein und können Krebs und Asthma, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Studien belegen zudem, dass selbst Ungeborene durch die Belastung der Mutter beeinträchtigt werden: Sie werden früher geboren und leiden später häufiger unter Atemwegsproblemen.

Kaiserschnitte als Chance

„Wir wissen schon seit einer Weile, dass die Luftverschmutzung auch die fötale Entwicklung beeinflusst“, sagt Lisa Miyashita von der Queen Mary University in London. „Bisher aber gab es kaum Belege dafür, dass inhalierte Partikel von der Lunge aus ins Blut gelangen können.“ Wie die ungeborenen Kinder daher die Feinstaubbelastung ihrer Mutter mitbekommen, blieb unklar.

Eine Chance, dies herauszufinden, haben Miyashita und ihr Team nun im Royal London Hospital erhalten. Denn sie erhielten dort die Erlaubnis, die Plazentas von fünf Müttern zu untersuchen, die mittels Kaiserschnitt entbunden hatten. Alle Frauen waren Nichtraucherinnen und hatten ein gesundes Kind geboren, lebten aber im verkehrsreichen und dicht besiedelten London. Die Forscher analysierten Makrophagen im Plazentagewebe, weil diese Fresszellen des Immunsystems Fremdpartikel aufnehmen und einschließen.

Embryo im Mutterleib und Plazenta © Wei Hsu and Shang-Yi Chiu, Plos Biology/ CC-by-sa 2.5

Rußpartikel im Mutterkuchen

Das Ergebnis: In 60 der 3.500 untersuchten Makrophagen fanden die Wissenschaftler dunkle Partikel, die sich als Ruß erwiesen. Im Schnitt enthielt jede Plazenta rund fünf Quadratmikrometer dieser kohlenstoffhaltigen Partikel, wie Miyashita und ihre Kollegen berichten. Das klingt zwar nicht viel, aber es zeigt, dass Ruß und Co bis zu dieser entscheidenden Übergangszone zum ungeborenen Kind vordringen können.

„Dies ist der erste Beweis dafür, dass inhalierte Schadstoffpartikel von der Lunge in den Blutkreislauf und darüber in die Plazenta gelangen können“, konstatiert Miyashitas Kollegin Norrice Liu. „Noch wissen wir nicht, ob diese Partikel auch in den Fötus gelangen können, aber unsere Belege sprechen dafür. Zudem wissen wir, dass diese Partikel gare nicht in den Körper des Babys gelangen müssen, um ihm zu schaden.“ Schon ihre Wirkung auf die Plazenta könne einen direkten Effekt auf den Fötus haben, so die Forscher.

Erklärung für vorgeburtliche Schadwirkung

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte der Fund von Ruß in den Makrophagen der Plazenta erklären, warum sich eine Belastung schwangerer Frauen durch Luftschadstoffe auch auf ihr Kind auswirken kann. „Diese Forschung zeigt einen möglichen Mechanismus auf, wie Babys trotz der geschützten Position im Mutterleib beeinträchtigt werden könnten“, kommentiert Mina Gaga, die Präsidentin der European Respiratory Society, die Ergebnisse.

Nach Ansicht der Forscherin sollte dies noch stärker deutlich machen, wie weitreichend die Gesundheitsfolgen der Luftverschmutzung sind. „Schon jetzt sehen wir eine neue Generation junger Erwachsener, die vermehrt Gesundheitsprobleme haben. Um die Folgen der Luftverschmutzung weltweit künftig zu reduzieren, brauchen wir strengere Maßnahmen für saubere Luft“, so Gaga. (European Respiratory Society International Congress, 2018)

(European Respiratory Society (ERS), 17.09.2018 – NPO)

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