Was eine schwangere Frau isst, kann das Brustkrebsrisiko ihrer Nachkommen noch über mehrere Generationen beeinflussen. Das legen Versuche nahe, die US-amerikanische Forscher mit Ratten durchführten. Erhielten Rattenweibchen während ihrer Schwangerschaft fettreiche Kost, erhöhte sich das Brustkrebsrisiko ihrer Töchter und Enkeltöchter um 55 bis 60 Prozent – obwohl sich diese normal ernährten.
Einen ähnlichen Effekt fanden die Wissenschaftler bei Östrogenpräparaten, wie sie gegen Schwangerschaftskomplikationen verabreicht werden: Bekamen Rattenweibchen in der letzten Schwangerschaftswoche zusätzliche Östrogene, reagierten sogar noch ihre Urenkelinnen 50 Prozent anfälliger gegenüber krebsauslösenden Substanzen. Das berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
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„Diese Studie demonstriert zum ersten Mal, dass sich ein Überschuss an Fett in der Ernährung oder an Östrogen gleich auf mehrere folgende Generationen auswirken kann“, sagt Studienleiterin Leena Hilakivi-Clarke von der Georgetown University in Washington DC. Man habe zwar bisher schon gewusst, dass die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft einen Effekt auf die Gesundheit ihres ungeborenen Kindes haben könne. Dass aber dieser Effekt sogar bis zu den Enkeln und Urenkeln vererbt werde, sei neu.
Muster der DNA-Anlagerungen verändert
Weitergeben wird die erhöhte Brustkrebs-Anfälligkeit nicht durch veränderte Gene, wie die Forscher berichten. Stattdessen verändere die fettreiche Ernährung der Mutter und ihr Östrogenstatus das Muster chemischer Anlagerungen am Erbgut des Kindes. Sitzt eine solche Anlagerung an der DNA, kann das dort liegende Gen nicht abgelesen werden. Die Lage und Dichte dieser auch als DNA-Methylierung bezeichneten Blockaden beeinflusst daher, welche Gene aktiv sind oder nicht.
Bei den Nachkommen der fettreich ernährten oder mit Östrogenen behandelten Rattenweibchen stellten die Wissenschaftler zahlreiche Veränderungen in der DNA-Methylierung fest. An insgesamt 214 Stellen im Erbgut trugen die Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen zusätzliche Anlagerungen, an 161 anderen fehlten normalerweise vorhandene Genblockaden. Diese Veränderungen hätten dazu geführt, dass das Brustgewebe dieser Tiere sensibler gegenüber krebsauslösenden Substanzen reagiere, berichten die Forscher.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die Ergebnisse erklären, warum Brustkrebs oft auch dann in Familien gehäuft vorkommt, wenn bei den betroffenen Frauen keines der bekannten Brustkrebsgene mutiert ist. Durch die Ernährung oder Hormone der Mutter werde die DNA-Anlagerung bei den ungeborenen Töchtern verändert. Diese Veränderung finde auch in den Eizellen der Töchter statt. Über die Eizellen gelange die Veranlagung dann auch in die folgende Generation.
Zuchtprogramm in drei Gruppen
Für ihre Studie hatte die Forscher schwangere Rattenweibchen in drei Gruppen aufgeteilt: Eine erhielt die gesamte Schwangerschaft hindurch besonders fetthaltiges Futter, die zweite Gruppe bekam normale Nahrung, erhielt aber in der letzten Woche zusätzlich das Hormonpräparat Ethinylestradiol. Die dritte Gruppe diente als Kontrolle und bekam nur normales Futter. Waren die Töchter dieser Rattenweibchen ausgewachsen, wurden sie mit den Söhnen von Weibchen aus der jeweils gleichen Gruppe verpaart. Ähnlich verfuhren die Forscher auch mit deren Nachkommen. Die Töchter und auch die nachfolgenden Generationen erhielten dabei stets normale Nahrung.
In jeder Generation testeten die Forscher die Brustkrebsanfälligkeit der Weibchen, indem sie ihnen ein krebsauslösend wirkendes Mittel verabreichten. Nachkommen der Rattenweibchen, die mit fettreicher Nahrung gefüttert wurden oder Östrogene erhalten hatten, bekamen danach rund doppelt so häufig Tumore wie die Nachkommen der Kontrollgruppe.
Nach Ansicht der Forscher wecken die neuen Ergebnisse auch Hoffnung, denn es gibt Arzneimittel, die die Veränderungen am Erbgut rückgängig machen können. „Solche Wirkstoffe, HDAC- und DNMT-Inhibitoren genannt, werden heute schon mit Erfolg eingesetzt, um einige Krebsarten zu behandeln“, sagt Hilakivi-Clarke. Vorläufige Ergebnisse aus den Tierversuchen zeigten, dass diese Wirkstoffe das erhöhte Brustkrebsrisiko durch zu viel vorgeburtliches Östrogen wieder senkten. Es wäre daher denkbar, dass man zukünftig per Bluttest feststellen könnte, ob eine Frau die risikofördernden Veränderungen an ihrem Erbgut trägt. Wäre das der Fall, könnte man dies möglicherweise gezielt durch Medikamente behandeln, hoffen die Forscher. (doi: 10.1038/ncomms2058)
(Nature Communications, 12.09.2012 – NPO)