Medizin

Fledermäuse: Mehr Coronaviren in gestörten Ökosystemen

Durch Landwirtschaft und Bergbau beeinträchtigte Lebensräume fördern Virenlast

Fledermäuse
Fledermäuse sind Träger zahlreicher Coronaviren – und könnten daher auch Auslöser einer nächsten Corona-Pandemie werden. © Remus86/ iStock

Es fällt auf uns zurück: Wenn wir Menschen die Lebensräume von Fledermäusen stören, erhöhen wir damit unser Risiko für eine erneute Coronaviren-Pandemie. Denn Fledermäuse in vom Menschen beeinträchtigen Habitaten sind häufiger mit Coronaviren infiziert als in ungestörten Lebensräumen, wie Forschende ermittelt haben. Häufigste Ursache für eine erhöhte Durchseuchung der Fledermäuse sind dabei Landwirtschaft und der Abbau von Rohstoffen durch Bergbau.

Fledermäuse gelten als das wichtigste Reservoir von Coronaviren – den viralen Erregern, die schon drei größere Epidemien bei uns Menschen verursacht haben: SARS, MERS und zuletzt die Corona-Pandemie durch SARS-CoV-2. In Fledermäusen Südostasiens, aber auch in Russland wurden schon einige Coronaviren nachgewiesen, die nur noch wenige Mutationen für den Artsprung zum Menschen benötigen. Gleichzeitig legen Studien nahe, dass der Klimawandel das Risiko für solche Artsprünge deutlich erhöht und auch für SARS-CoV-2 eine Rolle gespielt haben könnte.

Durchseuchung
Häufigkeit von Coronavirus-Infektionen bei Fledermäusen weltwelt. © Warmuth et al./ Science Advances, CC-by 4.0

Fledermäuse, Viren und menschliche Eingriffe

Doch es gibt noch einen weiteren, bedeutenderen Faktor für das Zoonose-Risiko: menschliche Eingriffe in tierische Lebensräume. Sie machen zum einen Kontakte zwischen Wildtier und Mensch wahrscheinlicher, zum anderen setzen sie Tiere unter Stress und könnten daher ihre Anfälligkeit für Infektionen mit potenziell humanpathogenen Viren erhöhen. Inwieweit Fledermäuse durch solche Eingriffe anfälliger für Coronaviren werden, haben nun Vera Warmuth von der Ludwig-Maximilians-Universität München und ihr Team untersucht.

Für ihre Studie werteten die Forschenden Studien zu Infektionsraten bei Fledermäusen in aller Welt aus, insgesamt umfasste die Analyse mehr als 26.700 Fledermäuse aus 309 Arten und 15 Familien. Diese Daten glichen sie mithilfe eines statistischen Modells mit Informationen zur Landnutzung im Lebensraum der betreffenden Fledermäuse ab. Dabei berücksichtigten sie 14 Störfaktoren aus fünf Kategorien: Landwirtschaft und Entwaldung, Verschmutzung, Verkehr, Besiedlung und Energie. Letzteres umfasst sowohl die Gewinnung von Rohstoffen durch Bergbau als auch den Bau von Wind- und Solaranlagen.

Mehr Infektionen in gestörten Ökosystemen

„Unsere Ergebnisse zeigen ganz klar, dass Tiere in gestörten Ökosystemen häufiger infiziert sind“, berichtet Warmuth. „Je stärker ein Gebiet durch den Menschen beeinflusst ist, desto mehr Coronaviren finden sich in den dort lebenden Fledermäusen.“ Der Grund: Die Störung ihres Lebensraums setzt die Fledermäuse unter Stress und das wiederum macht sie anfälliger für Virusinfektionen. „Die immunschwächende Wirkung von chronischem Stress ist gut belegt“, schreiben Warmuth und ihre Kollegen.

Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei drei Formen der Landnutzung: Landwirtschaft, Abholzung und dem Abbau von Bodenschätzen. Sie stellen Studien zufolge die größten Stressfaktoren für die Fledermauspopulationen dar und stehen am häufigsten in Verbindung mit erhöhten Infektionszahlen. Der Abbau von Rohstoffen durch Bergbau, aber auch das Anlegen von Windkraftanlagen stört die Fledermäuse bei der Beutejagd und kann – im Falle des Bergbaus – ihre unterirdischen Schlaf- und Brutstätten zerstören, wie das Team erklärt. Waldrodungen zerstören Jagdreviere und Rückzugsräume der Tiere.

Hohe Durchseuchung in USA, Südeuropa und Südasien

Die höchsten Infektionsraten durch Coronaviren zeigten Fledermäuse im südlichen Europa und im Mittelmeerraum, im Mittleren Osten, den USA, Südafrika und dem Süden Australiens mit gut 13 Prozent Durchseuchung. Auch in weiten Teilen Indiens, im Osten und Süden Chinas sowie im Südosten Südamerikas lag die Coronavirus-Infektionsrate bei den Fledermäusen in diesem oberen Bereich.

„Die Modelle weisen auf eine Handvoll Regionen, insbesondere im Osten der Vereinigten Staaten und in Indien, hin, in denen verstärkte Überwachungsmaßnahmen besonders wichtig sein könnten.“, sagt Warmuths Kollege Dirk Metzler. „Wenn wir das Ausbreitungsrisiko möglicher Zoonose-Erreger vorhersagen und eingrenzen wollen, müssen wir ihre Häufigkeit in Wildtierpopulationen überwachen. Insbesondere wenn der menschliche Druck auf Ökosysteme weiter steigt.“ (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.add0688)

Ludwig-Maximilians-Universität München

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