Insektenfressende Fledermäuse sind die Marathonsportler unter den Säugetieren. Es gelingt ihnen, wovon jeder Läufer nur träumen kann: Sie können Nahrung sofort in Energie umwandeln und ausschließlich darüber ihren Stoffwechsel während des Fluges befeuern. Das hat nun ein Berliner Forscherteam in der Fachzeitschrift „Ecology“ nachgewiesen.
Insektenfressende Fledermäuse jagen oft mehrere Stunden in der Nacht und gönnen sich kaum Pausen. Dabei erbringen sie eine Energieleistung, die zehn bis fünfzehnfach höher ist als im Ruhen. Im Gegensatz dazu sind insektenfressende Vögel geradezu faul: Sie hüpfen entweder von Ast zu Ast wie die Grasmücke, jagen im Ansitz wie der Fliegenschnäpper oder gleiten durch die Luft wie der Mauersegler.
„Der Mann mit dem Hammer“
Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin wollte nun wissen, woher Fledermäuse die Energie für diese Ausnahmeleistung während der Jagd nehmen.
Muss ein Organismus über längere Zeit eine hohe Leistung erbringen, holt er sich die Energie meistens aus seinen Kohlenhydrat- und Fettvorräten. Sind die Kohlenhydratvorräte, vornehmlich Glykogen, aufgebraucht, beginnt der Körper ausschließlich Fett zu verbrennen. Damit können Menschen jedoch nur ungefähr dreißig Prozent ihres Gesamtstoffwechsels „befeuern“. Deshalb bricht die Leistung an diesem Punkt ein.
Diesen Moment erfahren Marathonläufer etwa ab Kilometer dreißig. Als „Hit the wall“ oder „Der Mann mit dem Hammer“ bezeichnen die Läufer das Phänomen, wenn ganz plötzlich die Beine schwer werden und extreme Müdigkeit auftritt. Sie versuchen deshalb dem Körper Kohlenhydrate über Energiedrinks zuzuführen. Damit können sie aber auch nur rund dreißig Prozent ihres Gesamtenergiebedarfs decken.
Auftanken während des Fluges
Was für Marathonläufer ein Problem ist, gelingt insektenfressenden Fledermäusen anscheinend jede Nacht während der mehrstündigen Insektenjagd. Voigt und seine Kollegen fanden in ihrer neuen Studie heraus, dass die Tiere ihre proteinreiche Nahrung direkt verbrennen können und zu hundert Prozent als Energie zur Verfügung haben. „Das ist wie Auftanken während des Fluges“, veranschaulicht der Forscher diese physiologische Ausnahmeleistung.
Hasenmaulfledermäuse im Visier
Um ihre These zu überprüfen fingen die Forscher in Panama Kleine Hasenmaulfledermäuse, die sich gerade auf den Weg zur nächtlichen Jagd machten. Woher die verbrauchte Energie stammt, ermittelten die Biologen über die Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs im Atem der Tiere.
„Es zeigt sich, dass die Tiere während der Tagesruhe wie erwartet Fett verbrennen“, so Voigt. Vor einer Lichtquelle fingen die Forscher dann Tiere, die sich gerade auf der Jagd befanden. Die Isotopenzusammensetzung des Atems entsprach jetzt exakt dem Wert der Insekten, was das Forscherteam als Indiz dafür nahm, dass die Fledermäuse ausschließlich Nährstoffe der gerade verzehrten Insekten verbrannten.
Viele offene Fragen
Voigt ist von diesem Ergebnis nicht überrascht: „Fledermäuse sind sehr leicht. Würden sie die gesamte Energie für einen mehrstündigen Nachtflug aus Glykogen gewinnen, müssten sie viel schwerer sein, denn Glykogen hat aufgrund seines hohen Wassergehalts eine ungünstige Energiedichte.“
Wie genau die Tiere Proteine und Fett ihrer Nahrung sofort in Energie umwandeln, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Sie vermuten jedoch, dass dabei ein besonders effizientes Transportprotein eine Rolle spielt, das dem Menschen fehlt.
Die Biologen gehen davon aus, dass der Mechanismus bei allen Insekten fressenden Fledermäusen gleich ist. Sicherlich hätten Marathonläufer auch gerne ein solches Transportprotein, wie es die Fledermäuse höchstwahrscheinlich haben. Dann könnten sie laufen und laufen und laufen…
(idw – Forschungsverbund Berlin, 20.10.2010 – DLO)