Paläontologie

Flugsaurier-Fund in Bayern erweist sich als „Missing Link“

Ungewöhnliches Fossil schließt Lücke im Stammbaum der Pterosaurier

Rekonstruktion von zwei Skiphosoura bavarica im Flug
Rekonstruktion von zwei Skiphosoura bavarica im Flug. © Gabriel Ugueto.

Bindeglied der Evolution: Paläontologen haben in Bayern das ungewöhnlich gut erhaltene Fossil einer neuen Pterosaurier-Art aus dem Jura-Zeitalter entdeckt. Diese „Skiphosoura bavarica“ getaufte Art unterscheidet sich in mehreren Körpermerkmalen wie Kopf- und Schwanzgröße von jüngeren und älteren Flugsaurierarten. Damit schließt sie eine Lücke im Pterosaurier-Stammbaum, wie das Team erklärt. Das im Vergleich zu seinen Zeitgenossen riesige Fossil dokumentiert auch, wann und wie diese fliegenden Reptilien allmählich zu Riesen wurden.

Pterosaurier sind ausgestorbene fliegende Reptilien, die zeitgleich mit den Dinosauriern lebten. Sie waren die ersten Wirbeltiere, die fliegen konnten, lange bevor Vögel den Luftraum eroberten. Lange Zeit teilten Paläontologen die Flugsaurier in zwei Hauptgruppen ein: die Nicht-Pterodactyloide (früher auch Rhamphorhynchoidea genannt) und die Pterodactyloide, die erdgeschichtlich später auftraten. Die beiden Gruppen entwickelten im Zuge der Evolution unterschiedliche Körpermerkmale.

Lücke in der Evolution der Flugsaurier

So hatten die frühen Flugsaurier, die vor etwa 228 Millionen Jahren lebten, noch kurze Köpfe auf kurzen Hälsen, Flügelspannweiten bis zu zwei Metern, einen kurzen Knochen im Handgelenk des Flügels, eine lange fünfte Zehe am Fuß und lange Schwänze. Die Kurzschwanzflugsaurier (Pterodactyloide) hatten hingegen große Köpfe auf langen Hälsen, Flügelspannweiten von bis zu zehn Metern, ein langes Handgelenk, eine kurze fünfte Zehe und einen kurzen Schwanz. Doch wann und in welcher Reihenfolge sich diese Körperteile veränderten, war nicht bekannt.

Zwar haben Paläontologen in den letzten Jahren einige Flugsaurier-Fossilien gefunden, die diese Frage zumindest für einige Merkmale klären. Diese zu den Darwinopteren gehörenden Spezies stehen stammesgeschichtlich zwischen den Nicht-Pterodactyloiden und den Pterodactyloiden. Ihre Anatomie verrät, dass im Laufe der Evolution zuerst Kopf und Hals der Flugsaurier wuchsen. Doch wann wandelten sich die anderen Körpermerkmale dieser urzeitlichen „Herrscher der Lüfte“?

Fotos des Originalfossils von Skiphosoura bavarica bei natürlichem und UV-Licht
Fotos des Originalfossils von Skiphosoura bavarica bei natürlichem und UV-Licht. © René Lauer

Fast vollständiges 3D-Fossil entdeckt

Diesen wichtigen Übergang könnte nun ein in Bayern gefundenes Flugsaurier-Fossil erklären. Es wurde 2015 im Schaudiberg-Steinbruch bei Mühlheim entdeckt. Ein Team um David Hone von der Queen Mary University of London hat diesen Fund nun genauer analysiert. Es handelt sich demnach um ein nahezu vollständiges Pterosaurier-Exemplar, von dem fast jeder Knochen erhalten ist.

Ungewöhnlicherweise liegt das Fossil zudem in dreidimensionaler Form vor, während die meisten anderen Flugsaurier-Fossilien von den auflastenden Gesteinsschichten plattgedrückt worden sind. Um die feinen Knochen sichtbar zu machen, nutzte das Team spezielle Methoden: „Digitale Fotos der Probe, die sowohl im sichtbaren als auch im UV-Licht aufgenommen wurden, halfen erheblich dabei, die Elemente zu identifizieren und feinere Details zu analysieren, die bei normalem Tageslicht allein nicht erkennbar waren“, erklärt Koautor René Lauer von der Lauer Foundation.

Bindeglied der Pterosaurier-Evolution

Die Paläontologen identifizierten das Fossil als neue Flugsaurierart, die zur Zeit des späten Jura lebte. Dieses Zeitalter endete vor etwa 145 Millionen Jahren. Hone und seine Kollegen tauften das Tier „Skiphosoura bavarica“, was so viel wie „Schwertschwanz aus Bayern“ bedeutet, weil es einen sehr kurzen, aber steifen und spitzen Schwanz hatte. Zu Lebzeiten hätte der Saurier eine Flügelspannweite von etwa 1,75 Metern gehabt. „Damit ist Skiphosoura weit größer als jeder andere bekannte Vertreter dieser frühen Nicht-Pterodactyloiden – er war im Verhältnis zu ihnen ein Riese“, berichten Hone und seine Kollegen.

Kopf und Hals des Skiphosaurus ähneln bereits denen der Pterodactyloiden, wie das Team berichtet. Die Größe seines Handgelenks, seiner fünften Zehe und seines Schwanzes liegen zwischen den typischen Maßen von Darwinopteren und Kurzschwanzflugsauriern. Die Paläontologen schließen daraus, dass Skiphosoura evolutionär zwischen diesen beiden Gruppen liegt – das Fossil ist damit ein Bindeglied der Pterosaurier-Evolution.

Hone und seine Kollegen haben zudem einen zweiten „Missing Link“ identifiziert: ein in Schottland gefundenes Pterosaurier-Fossil namens Dearc. Neue Analysen ergaben, dass die Ausmaße seiner Körpermerkmale ebenfalls eine Zwischenform der Evolution darstellen, jedoch eine deutlich jüngere. Der Dearc-Flugsaurier passt demnach in die Zeit vor den Darwinopteren. „Das ist ein unglaublicher Fund. Er hilft uns dabei, zusammenzusetzen, wie diese erstaunlichen fliegenden Tiere gelebt und sich entwickelt haben“, sagt Hone.

Flugsaurier-Stammbaum wird neu geordnet

Mit diesen beiden Fossilien lässt sich nun der Stammbaum der Pterosaurier neu schreiben. Ihre Evolution verlief demnach von den frühen Flugsauriern über Dearc und die ersten Darwinopteren bis hin zu Skiphosoura und den Pterodactyloiden. Während dieser Entwicklung vergrößerten sich zunächst Kopf und Hals, gefolgt vom Handgelenk. Anschließend schrumpften der Schwanz und der fünfte Zeh. Diese Veränderungen halfen den Flugsauriern wahrscheinlich, sich vom einst marinen Lebensraum an ihre zunehmend terrestrische Lebensweise anzupassen, so das Team.

Insgesamt wurden die Flugsaurier während ihrer Evolution immer größer. Sowohl Dearc als auch Skiphosoura sind für ihre Zeit ungewöhnlich groß. Das deutet nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass die Veränderungen, durch die die Pterodactlyoiden ihre enormen Größen erreichten, auch bei diesen Übergangsarten auftraten. Folgestudien sollen künftig diese Entwicklung genauer untersuchen. (Current Biology, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.10.023)

Quelle: Queen Mary University of London

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