Paläontologie

Flugsaurier: Missglückter Fressversuch

Tintenfisch-Fossil mit Flugsaurierzahn gewährt neue Einblicke in den Speiseplan der Reptilien

Flugsaurier
So könnte es zu dem Fossilfund gekommen sein: Bei dem Versuch, einen Tintenfisch zu fressen, verlor der Flugsaurier einen Zahn. © Christian Klug und Beat Scheffold

Gescheiterte Attacke: Eigentlich wollte sich der Flugsaurier einen leckeren Tintenfisch aus dem Meer schnappen. Doch die Jagd ging schief, wie ein 152 Millionen Jahre altes Fossil aus Solnhofen zeigt. Anstatt mit Beute endete der Angriff für den Jäger mit einem Zahn weniger. Dieser blieb im Gewebe des Kopffüßers stecken und wurde schließlich gemeinsam mit ihm konserviert. Er ist der erste Beleg dafür, dass Flugsaurier Tintenfische jagten.

Zu Lebzeiten der Dinosaurier beherrschten sie die Lüfte: die Flugsaurier. Diese Reptilien waren die ersten Reptilien, die fliegen konnten und brachten im Laufe der Evolution zahlreiche unterschiedliche Arten hervor. Forscher gehen davon aus, dass zumindest einige der Pterosaurier sehr sozial waren und gemeinsam brüteten. Während manche von ihnen an Land jagten, fingen andere ihre Beute im Flug und schnappten sich zum Beispiel Fische aus dem Wasser.

Ein skurriler Fossilfund gewährt nun neue Einblicke in das Jagdverhalten und den Speiseplan der Flugsaurier: René Hoffmann von der Ruhr-Universität Bochum und seine Kollegen haben eine Versteinerung untersucht, die von einem Hobbysammler im Solnhofener Plattenkalk in Süddeutschland entdeckt worden war. Bei dem 152 Millionen Jahre alten Fossil handelt es sich um die Überreste eines Tintenfisches und einen Flugsaurierzahn. Doch war der Zahn nur zufällig gemeinsam mit diesem Meerestier konserviert worden oder steckte mehr dahinter?

Plesioteuthis subovata
Entwischte Beute: Von der Kopffüßer-Art Plesioteuthis subovata waren zuvor nur drei erhaltene Exemplare bekannt. © Michael Schwettmann

Kopffüßer auf dem Speiseplan

Wie die Wissenschaftler berichten, sind die Weichkörper des Kopffüßers sehr gut erhalten – den besonderen Versteinerungsbedingungen in Solnhofen sei Dank. Sauerstoffarmut, ein erhöhter Salzgehalt und ruhige Wasserbedingungen führten hier dazu, dass Weichteile phospatisiert und somit konserviert wurden. Dieses Gewebe leuchtet unter UV-Licht weiß. So konnte Hoffmanns Team sichtbar machen: Der Zahn steckte tatsächlich in den Weichteilen des Tintenfisches und war nicht einfach nur darauf gefallen.

Damit war klar, dass der Beißer durch einen missglückten Fressversuch in dem Gewebe gelandet sein musste. Das Besondere: Es handelt sich damit um den ersten Nachweis, dass Flugsaurier auch Kopffüßer jagten. „Direkte Belege für erfolgreiche oder missglückte Jagdversuche sind in der fossilen Überlieferung selten“, konstatieren die Forscher. Solche Funde seien aber wichtig, um Räuber-Beute-Beziehungen verstehen und Nahrungsnetze rekonstruieren zu können.

Zugeschnappt und abgebrochen

Doch wer wollte hier Beute machen? Die Wissenschaftler fanden heraus, dass der Zahn einem nahezu ausgewachsenen Pterosaurier der Art Rhamphorhynchus muensteri gehörte – durch versteinerte Mageninhalte war dieser bereits als Fischfresser bekannt. Die ihm entwischte Beute lässt sich der Art Plesioteuthis subovata zuordnen. Es ist dem Team zufolge erst das vierte fossile Exemplar dieses mit den Oktopussen verwandten Kopffüßers.

Hoffmann und seine Kollegen glauben nicht, dass Rhamphorhynchus muensteri zum Meeresboden tauchte, um an Aas zu gelangen. Sie sind sich daher sicher: Der Tintenfisch schwamm nahe der Wasseroberfläche, als er von dem darüber fliegenden Pterosaurier geschnappt wurde, sich daraufhin zur Wehr setzte und schließlich befreien konnte – dabei brach dem Flugsaurier ein Zahn ab.

Glücklich entkommen?

Ob der Kopffüßer unmittelbar nach der Attacke durch den Flugsaurier starb oder noch weiterlebte, bleibt ein Geheimnis. „Doch der Zahn steckt an einer Stelle, an der keine lebensnotwendigen Organe sitzen“, erklärt Hoffmann. „Es kann also sein, dass er durchaus eine Weile so weitergelebt hat.“ (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-57731-2)

Quelle: Ruhr Universität Bochum

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