Biotechnologie

Forscher erzeugen Tierzellen mit Chloroplasten

Eingeschleuste Photosynthese-Organellen verhelfen Hamsterzellen zu schnellerem Wachstum

Hamsterzellen mit Chloroplasten
Diese Hamsterzellen tragen photosynthetisch aktive Chloroplasten (magenta) in sich – und profitieren davon. © Aoki et al./ Proceedings of the Japan Academy Series B, CC-by-nc-nd 4.0

Science-Fiction wird real: Kann man Tieren oder Menschen die Fähigkeit zur Photosynthese verleihen? Ein erster Schritt dazu könnte nun japanischen Forschern gelungen sein. Sie haben erstmals Chloroplasten aus einer einzelligen Alge in die Zellen eines Hamsters eingeschleust und mehrere Tage aktiv gehalten. Die Hamsterzellen mit Chloroplasten wuchsen schneller und könnten von der Photosynthese der einschleusten Zellorganellen profitiert haben. Auch ein photosynthetischer Elektronentransport war nachweisbar.

Chloroplasten sind die Energiefabriken aller zellkerntragenden Pflanzenzellen, denn in ihnen findet die Photosynthese statt. Sie entstanden, als vor rund 1,9 Milliarden Jahren ein Cyanobakterium von einer anderen Zelle verschlungen und zu einem Zellorganell umfunktioniert wurde – dem Chloroplasten. Aus dieser Endosymbiose gingen alle eukaryotischen Algen und Landpflanzen hervor. Allerdings gibt es auch einige Tiere und Pilze, die in enger Symbiose mit einzelligen Algen leben, darunter Flechten, einige Amöben und Wimperntierchen und viele Korallen.

Rotalge und Chloroplasten
Als Spender der isolierten Chloroplasten (rechts) diente die einzellige Rotalge Cyanidioschyzon merolae (links). © Aoki et al./ Proceedings of the Japan Academy Series B, CC-by-nc-nd 4.0

Kann man Tierzellen mit Chloroplasten ausrüsten?

Diese Beispiele werfen die Frage auf, ob nicht auch höhere Tiere und vielleicht sogar wir Menschen von einer solchen Endosymbiose profitieren könnten: Wenn man aktive Chloroplasten in unsere Zellen einbauen könnte, müsste uns das ebenfalls die Fähigkeit zur Photosynthese verleihen, so die Idee. Dies würde unseren Geweben zusätzlichen Sauerstoff und Nährstoffe liefern. Das Organe wie das Gehirn von diesem „grünen Sauerstoff“ profitieren können, demonstrierten Forschende 2021, als sie lebende Mikroalgen in das Blut von Froschlarven einschleusten.

Der nächste Schritt ist nun einem Team um Ryota Aoki von der Universität Tokio gelungen: Sie haben isolierte Chloroplasten in die Zellen eines Säugetiers eingeschleust, die dort mehr als zwei Tage lang aktiv weiter Photosynthese betrieben. „Bisher blieben isolierte Chloroplasten nie mehr als wenige Stunden in den Wirtszellen aktiv“, berichtet das Team. „Es gab zudem keine Berichte eines solchen Transfers, der zu nachweisbarer Photosynthese innerhalb der Wirtszelle führte.“

Hamsterzellen mit Rotalgen-Chloroplasten

Jetzt haben dies Aoki und sein Team geschafft. Als Chloroplasten-Spender nutzten sie dafür die einzellige Rotalge Cyanidioschyzon merolae. Diese in heißen, sauren Quellen vorkommende Alge eignet sich für diesen Zweck, weil ihre Zellstruktur gut erforscht ist und sie nur jeweils einen Chloroplasten pro Zelle besitzt. Ein weiterer Vorteil: „Typischerweise enthalten Algen-Chloroplasten nur noch rund 100 Gene, aber bei Schyzon sind es 243“, erklären die Forschenden. Das legte nahe, dass diese Chloroplasten länger unabhängig vom Pflanzenzellkern überleben konnten.

Für ihr Experiment gaben Aoki und sein Team die isolierten Chloroplasten der Rotalge in eine Kultur von Eierstockzellen des Chinesischen Zwerghamsters (Cricetulus griseus) – eine in der Biotechnologie gängigsten Säugetierzelllinien. Dann untersuchten sie mithilfe verschiedener Methoden der Fluoreszenz-Mikroskopie, was geschah.

Photosyntheseaktivität
Gemessene Photosyntheseaktivität bei isolierten Chloroplasten (I.C.) und Chloroplasten in Hamsterzellen nach 0, 2 und 4 Tagen. © Aoki et al./ Proceedings of the Japan Academy Series B, CC-by-nc-nd 4.0

Aktive Photosynthese in den Tierzellen

Und tatsächlich: Schon am ersten Tag hatten rund 20 Prozent der Hamsterzellen ein bis drei Algen-Chloroplasten aufgenommen. Diese Chloroplasten blieben mindestens zwei Tage intakt, wie biochemische Tests ergaben. „Wir hatten erwartet, dass die Chloroplasten von den Tierzellen schon Stunden nach ihrer Aufnahme verdaut werden würden“, sagt Seniorautor Sachihiro Matsunaga von der Universität Tokio. „Aber stattdessen stellten wir fest, dass sie zwei Tage lang weiter funktionierten.“

Die Chloroplasten betrieben in den Tierzellen weiterhin aktiv Photosynthese – was den Wirtszellen offenbar zugutekam: „Während dieser zweitägigen Inkubation hatten die Hamsterzellen eine höhere Wachstumsrate als Kontrollzellen“, berichten die Forschenden. Tests belegten, dass es während dieser Zeit weiter zu einem Elektronentransport im Photosynthese-Apparat der Chloroplasten kam. Dies sei ohne genetische Manipulation der Chloroplasten oder der Wirtszellen erreicht worden, wie das Team betont.

Erster Schritt zu „grünen“ Geweben?

“Unseres Wissens nach ist dies der erste Nachweis eines photosynthetischen Elektronentransport in Chloroplasten, die in eine Tierzelle implantiert wurden“, sagt Matsunaga. Das verstärkte Wachstum der solcherart „aufgerüsteten“ Hamsterzellen lege zudem nahe, dass die Tierzellen die Chloroplasten-Photosynthese als Kohlenstoffquelle nutzen konnten. Auch die Ansammlung von Mitochondrien um die einschleusten Chloroplasten deutet nach Ansicht des Teams auf einen Energie- und Stoffaustausch hin.

Nach Ansicht von Aoki und seinen Kollegen könnte ihr Ansatz damit als Grundlage dienen, um künftig Tierzellen künstlich mit der Fähigkeit zur Photosynthese auszustatten. Im ersten Schritt könnte dies beispielsweise der Gewebe- und Organzucht im Labor zugutekommen. „Oft können diese mehrschichtigen Gewebe wegen Sauerstoffmangel nicht weiterwachsen“, erklärt Matsunaga. „Indem wir diesen Laborkulturen Zellen mit Chloroplasten hinzufügen, könnten wir die Sauerstoffversorgung dieser Gewebe durch Photosynthese verbessern.“

Weitere Optimierung nötig

Allerdings: Im aktuellen Experiment hielten die einschleusten Chloroplasten nur rund zwei Tage in den Hamsterzellen durch. Dann wurden sie von den Wirtszellen allmählich abgebaut und zerstört. Doch Aoki und sein Team haben bereits einen Plan, wie man dies verhindern könnte: Man könnte die Chloroplasten mit einem bakteriellen Enzym ausstatten, das die Phagozytose – das Verschlingen und Abbauen durch die zelleigene „Müllabfuhr – unterbindet.

Außerdem wäre es möglich, die tierischen Wirtszellen mit zusätzlichen Genen auszustatten, die den zellinternen Stoffaustausch mit dem Chloroplasten optimieren. „Wir erwarten, dass solche ‚Planimal‘-Zellen Game-Changer werden könnten, die uns helfen, eine grüne Transformation zu erreichen“, sagt Matsunaga. (Proceedings of the Japan Academy Series B, 2024; doi: 10.2183/pjab.100.035)

Quelle: Proceedings of the Japan Academy, University of Tokyo

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