US-Forscher haben eine Reihe zuvor unbekannter Fruchtbarkeitsgene bei Männern identifiziert. Dazu untersuchten die männlichen Mitglieder der Hutterer, einer Gemeinschaft mit sehr kinderreichen Familien. Dabei entdeckten sie mehr als 40 Genregionen, die mit der Fruchtbarkeit ihrer Träger in Zusammenhang stehen. Eine spätere Überprüfung an Samenproben von 123 weiteren Männern unterschiedlicher Herkunft zeigte: Veränderungen in mindestens neun dieser Regionen scheinen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen zu können. Die Forscher sehen ihre Ergebnisse als Basis für eine exaktere Suche nach den verantwortlichen Genen und damit für neue Möglichkeiten, Unfruchtbarkeit bei Männern zu behandeln. Die Studie stellt das Team um Gülüm Kosova von der University of Chicago im Fachmagazin „American Journal of Human Genetics“ vor
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Schätzungsweise 10 bis 15 Prozent aller Paare in westlichen Ländern bleiben nach Angaben der Forscher ungewollt kinderlos. Die Ursache liegt etwa zu gleichen Teilen bei Männern und Frauen, wobei allerdings in etwa einem Viertel der Fälle nie geklärt wird, was die Unfruchtbarkeit hervorruft. Das liege unter anderem daran, dass über die Vorgänge bei der Produktion der Keimzellen noch sehr wenig bekannt sei, schreiben die Wissenschaftler. Auch sei unklar, wie groß der Einfluss genetischer Faktoren auf die Fruchtbarkeit sei, Schätzungen gingen von bis zu 50 Prozent aus.
Viele Störfaktoren
Die Untersuchung dieses Zusammenhangs gestalte sich allerdings schwierig. Zwar gebe es eine ganze Reihe von Kandidatengenen, deren Veränderung bei Tieren Unfruchtbarkeit verursachen kann. Beim Menschen spielen jedoch so viele zusätzliche kulturelle, soziale und gesundheitliche Faktoren eine Rolle, dass die genetischen Einflüsse nicht selten komplett überdeckt seien. Daher hätten Studien mit unfruchtbaren Männern bisher auch lediglich eine Handvoll Gene geliefert, deren Mutation zu Zeugungsunfähigkeit führe.
Deswegen konzentrierte sich das Team im ersten Teil seiner Untersuchung auf einen anderen Ansatz: Es untersuchte die Hutterer, eine Glaubensgemeinschaft mit ungefähr 40.000 Mitgliedern, die vor allem im Norden der USA und in Westkanada lebt. Sie leben ein sehr einfaches gemeinschaftlich-gleichberechtigtes Leben mit klaren, strikten Regeln, so dass die kulturellen Einflüsse bei allen etwa gleich sind. Verhütungsmittel sind bei ihnen verpönt und große Familien erwünscht. Da die Mitglieder der Gemeinschaft zudem eng miteinander verwandt sind, seien sie einander genetisch relativ ähnlich und damit die ideale Gruppe, um die natürliche Variation bei der Fruchtbarkeit zu untersuchen, erläutern die Forscher.
Steuerung der Fruchtbarkeit äußerst komplex
Sie analysierten DNA-Proben von 269 verheirateten Hutterer-Vätern und verglichen sie mit der Anzahl ihrer jeweiligen Kinder und der Geburtenrate, die berücksichtigt, wieviel Zeit zwischen den Geburten verstrich. Dazu nutzten sie eine sehr abstrakte statistische Methode, die es ihnen ermöglichte, die Fruchtbarkeit in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Denn da neben der Qualität des Spermas auch viele andere Faktoren wie etwa die Stärke des Sexualtriebs oder die allgemeine körperliche Gesundheit der Männer deren Fruchtbarkeit beeinflussen, sei es nahezu unmöglich, alle Einflussgrößen einzeln zu betrachten.
Auf diese Weise konnten sie 41 Bereiche im Erbgut identifizieren, die offenbar in irgendeiner Weise die männliche Fruchtbarkeit beeinflussten. Jeweils eine Auffälligkeit aus jeder dieser Regionen nahmen sie anschließend noch einmal genauer ins Visier. Dazu nutzten sie eine andere Gruppe von 123 Nicht-Hutterer-Männern unterschiedlicher Herkunft, die Samenproben an der University of Chicago abgegeben hatten. Mit Hilfe dieser Proben prüften die Forscher, ob es einen Zusammenhang zwischen der Spermienqualität und den zuvor identifizierten Genbereichen gab.
Neun dieser Regionen scheinen tatsächlich auch allgemein die Güte der Spermien zu beeinflussen, zeigte diese Untersuchung. In manchen davon konnten die Forscher sogar konkret bestimmen, welche Gene für den Einfluss verantwortlich sein könnten: Es handelt sich unter anderem um Erbgutabschnitte, die wichtige Rollen bei der Eiweißproduktion und bei der Steuerung des Immunsystems spielen. In vielen Fällen scheinen sie mit anderen Genen zusammenzuarbeiten und auf diese Weise die Fruchtbarkeit zu prägen. Die Ergebnisse zeigten, wie komplex die menschliche Fertilität ist, resümiert das Team. Als nächstes wollen sie die Analyse auf die Ehefrauen der Hutterer-Probanden ausdehnen.(doi: 10.1016/m.ajhg.2012.04.016)
(American Journal of Human Genetics, 25.05.2012 – ILB)