Und der Haifisch, der hat Zähne… – aber was für welche: Wissenschaftler haben die Zahnstrukturen bei Hai und Mensch analysiert und dabei Erstaunliches festgestellt: Obwohl die Beißer des Raubtiers zu hundert Prozent Fluoride enthalten, also das Mineral, das niedrigdosiert in Zahncremes steckt, sind sie nicht härter als unsere.
Dass die Nano- und Werkstoffwissenschaftler ausgerechnet Haien auf den Zahn fühlen, ist kein Zufall. „Das wollte ich schon lange einmal tun“, betont Matthias Epple, Professor für Anorganische Chemie an der Universität Duisburg-Essen (UDE). „Wir beschäftigen uns an der UDE seit Jahren mit der Biomineralisation. Dabei geht es um die Frage, was anorganische Mineralien in biologischen Systemen, also Zähnen, Knochen, Muschelschalen, bewirken. Haie besitzen bekanntlich einen Zahnschmelz aus dem sehr harten Mineral Fluorapatit. Bislang hat den aber noch kein Forscher mit modernen High-end-Methoden aus Chemie und Physik analysiert.“ Das haben Duisburger fOrshr gemeinsasm mit Kollegen vom Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) in Düsseldorf nun nachgeholt.
Für die Studie nahmen die Forscher die Zähne des Kurzflossen-Mako und des Tigerhais buchstäblich auseinander – diese Arten fressen ihr Beutefleisch nämlich unterschiedlich. Mithilfe des Rasterelektronenmikroskops und der Röntgenbeugung schauten sie sich Anordnung, Größe und Natur der Fluorapatit-Kristalle an, über die mechanischen Messungen prüften sie die Härte lokal in kleinen Bereichen. Obwohl der Mako das Fleisch seiner Beute reißt und der Tigerhai es schneidet, ist der chemische und kristalline Aufbau ihrer Zähne nahezu identisch, stellten Epple und seine Kollegen
fest. Im Inneren ist elastisches Dentin, und das Äußere ist hochmineralisiert.
Menschliche Zähne sind nicht weniger stabil
So könnte man eigentlich getrost davon ausgehen, dass Haifischzähne härter sind als unsere. „Menschlicher Zahnschmelz besteht aus einem etwas weicheren Mineral, dem Hydroxylapatit, der übrigens ebenfalls in Knochen vorkommt.“ Doch zur Überraschung der Forscher ergaben die
Vergleichsuntersuchungen an einem menschlichen Zahn: Er ist genauso robust wie der des gefürchteten Raubtieres. „Das liegt an der besonderen Mikro- und Nanostruktur unserer Zähne, in denen Kristallnadeln durch besondere Anordnung und Verkleben mit Proteinen verhindern, dass ein Bruch durch den ganzen Kristall läuft“, so Epple. Die Natur hat das übrigens bei allen Lebewesen ähnlich eingerichtet: Wären Zähne nämlich komplett mineralisch, so drohten sie zu zersplittern.
Ihre Arbeiten setzen die Wissenschaftler nun fort, etwa an Haien unterschiedlichen Alters. Und sie experimentieren damit, die Strukturen nachzubauen – für den Zahnersatz von morgen. „Es wäre toll, wenn man irgendwann Zähne mit einem Material restaurieren könnte, das viel natürlicher ist als die heutigen Behelfslösungen.“ Bis dahin muss sich der Mensch wohl damit abfinden, dass Haie dennoch die besseren Zähne haben: Diese wachsen immer wieder nach und bekommen keine Löcher. „Das mag am Fluorapatit liegen, aber auch am Wechselgebiss, das fortlaufend durch das Meerwasser umspült wird“; sagt Epple. „Nicht zu vergessen: Haie futtern keinen Zucker.“ (Structural Biology, 2012; doi:10.1016/j.jsb.2012.03.012)
(Universität Duisburg-Essen, 30.07.2012 – NPO)