Fossil mit Seltenheitswert: Es ist nicht nur das älteste bekannte konservierte Exemplar eines Pilzes, sondern auch das älteste Fossil eines landlebenden Organismus überhaupt, das ein Forscher nun identifiziert hat: Der 440 Millionen Jahre alte Fund eines versteinerten Pilz-Myzels schließt damit eine bedeutende Lücke in der Evolution dieser eukaryotischen Lebewesen – und in der Entwicklung des Lebens an Land.
Fast eine Milliarde Jahre spielte sich das Leben ausschließlich in den Ozeanen ab. Wann genau die ersten Lebensformen vom Wasser ans Land kamen, ist heute nur schwer nachzuvollziehen. Fossilienfunde die das belegen könnten, sind rar. Dennoch sind sich Wissenschaftler einig, dass der Übergang im frühen Paläozoikum begann, also vor etwa 500 bis 450 Millionen Jahren.
Bevor sich komplexe Organismen an Land entwickeln konnten, mussten zunächst die Bedingungen dafür geschaffen werden. Dabei spielten Pilze eine bedeutende Rolle: Sie waren in der Lage, Verrottungsprozesse zu starten und dabei wichtige Nährstoffe zu produzieren. Erst durch sie konnten sich Schichten fruchtbaren Bodens entwickeln, in denen Pflanzen wachsen konnten, die wiederum tierisches Leben ermöglichten.
Der Forscher Martin Smith von der Durham University hat nun einen solchen Pionier des Landlebens entdeckt – ein Fund, der gleich in zweierlei Hinsicht einzigartig ist.
Wichtiges Puzzlestück
Für seine Studie untersuchte Smith eine Vielzahl winziger Fossilien aus Schweden und Schottland, die bereits in den 1980er Jahren gefunden worden waren. Er stellte fest: Die Fossilien, die jeweils kleiner sind als der Durchmesser eines Haares, sind 440 Millionen Jahre alt und gehören zu Myzelien des Pilzes Tortotubus protuberans.
Damit ist der Fund nicht nur das älteste Beispiel eines fossilen Pilzes, sondern gleichzeitig das älteste bekannte Fossil eines landlebenden Organismus überhaupt. „Der Fund füllt damit eine bedeutende Lücke in der Evolution der Pilze und auch in der Evolution des Lebens an Land“, sagt Smith.
Moderne Strukturen
Smith zufolge ist das Myzel von Tortotubus bereits ähnlich aufgebaut wie das wurzelartige Geflecht aus mikroskopisch kleinen Fäden, das auch manche modernen Pilze typischerweise im Erdboden bilden. Weil die Fossilien den Pilz in unterschiedlichen Wachstumsstadien zeigen, lassen sie darüber hinaus noch weitere Rückschlüsse zu. So hat das Wachstumsmuster Smith zufolge etwa Ähnlichkeiten mit Hutpilzen.
„Auch wenn es bisher keine eindeutigen Belege für Hutpilze aus dem Zeitalter des Paläozoikums gibt, könnte es sein, dass Hutpilze bereits das Land kolonisierten, bevor die ersten Tiere die Ozeane verließen“, mutmaßt er.
Zersetzung von Bakterien?
Eine Frage bleibt jedoch: Was gab es damals an Land, das Tortotubus zersetzen konnte, um auf diese Weise einen Beitrag zur Etablierung von komplexen Lebewesen an Land zu leisten? Smith tippt auf Bakterien oder Algen. Fossile Belege seien jedoch auch von diesen Organismen rar. (Botanical Journal of the Linnean Society, 2016; doi: 10.1111/boj.12389)
(Botanical Journal of the Linnean Society, University of Cambridge, 02.03.2016 – DAL)