Evolution

Fossilien erhellen Ursprünge der Photosynthese

1,75 Milliarden Jahre alte Cyanobakterien-Relikte zeigen älteste Thylakoid-Membran

Chloroplast
Der Photosynthese-Apparat der Pflanzen sitzt in den gestapelten Thylakoidmembranen der Chloroplasten. Doch wann sind diese Thylakoide entstanden? © wir0man/ iStock.com

Urzeitliche Lichtwandler: In Australien haben Paläontologen die frühesten fossilen Belege für ein entscheidendes Bauteil des Photosynthese-Apparats entdeckt – die Thylakoidmembran. Diese mehrfach gefaltete Membran existierte demnach schon vor mindestens 1,75 Milliarden Jahre in Cyanobakterien. Dies repräsentiert damit den ältesten direkten Nachweis dieser zellulären „Lichtfabrik“ und wirft neues Licht auf die Ursprünge der Photosynthese und die Evolution des dafür nötigen Zellapparats, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Die Photosynthese ist eine der folgenreichsten „Erfindungen“ der Natur. Erst die Fähigkeit von Pflanzenzellen, Sonnenlicht, Wasser und CO2 zu organischen Molekülen umzuwandeln, ermöglichte das Leben, wie wir es heute kennen. Denn die Photosynthese früher Cyanobakterien reicherte die irdische Uratmosphäre mit Sauerstoff an und schuf damit vor rund 2,4 Milliarden Jahren die Voraussetzung für tierisches Leben.

Thylakoidmembran
Thylakoidmembran-Stapel im Chloroplast einer eukaryotischen Pflanzenzelle. Auch viele Cyanobakterien besitzen solche Thylakoide, aber nicht alle. © and3k, caper437/ CC-by-sa 3.0

Wann entstand der Photosynthese-Apparat?

Doch wann genau die ersten Cyanobakterien ihren Photosynthese-Apparat entwickelten und wie dieser aussah, war bisher unklar. Zwar legen genetische Rekonstruktionen nahe, dass sich die Cyanobakterien schon vor rund drei Milliarden Jahren von ihren nicht-photosynthesefähigen Vorfahren abspalteten. Doch fossile Belege von diesen Einzellern gibt es nicht. Die ältesten bisher bekannten Fossilien dieser Gruppe sind erst 1,8 bis zwei Milliarden Jahre alt.

Hinzu kommt: Der Photosynthese-Apparat aller Eukaryoten und der meisten Cyanobakterien umfasst Thylakoidmembranen – mehrlagige Membranstapel, in denen die entscheidenden biochemischen Akteure der Photosynthese sitzen. „Die älteste Cyanobakterien-Linie, die Gattung Gloeobacter, ist jedoch durch ein Fehlen von Thylakoiden charakterisiert“, berichten Catherine Demoulin und ihre Kollegen von der Universität Liége in Belgien. Wann sich diese Strukturen bildeten, ist daher strittig.

Membranstapel in fossilen Zellen

Jetzt helfen neue Fossilfunde dabei, die Ursprünge des Photosynthese-Apparats zu erhellen. Demoulin und ihr Team haben dafür Mikrofossilien aus drei Schieferformationen in Australien, dem Kongo und dem arktischen Kanada untersucht. In diesen feinkörnigen, zwischen einer und 1,78 Milliarden Jahre alten Gesteinen sind Zellabdrücke erhalten, die von Cyanobakterien stammen. Die Forschenden haben diese fossilen Zellen mittels Transmissionselektronenmikroskopie und weiteren Methoden analysiert.

Die Analysen ergaben: Bei den länglichen, rund 200 Mikrometer langen Zellen handelt es sich um Cyanobakterien der Art Navifusa majensis. Und im Inneren ihrer fossilen Relikte entdeckten Demoulin und ihr Team auffallende Strukturen: „Die N. majensis-Fossilien aus der australischen Tawalla-Gruppe zeigen einen Satz von intrazellulären Membranen mit scharfen, dunklen Kanten, die parallel zur Zellwand verlaufen, aber lokal verformt sind“, berichten sie.

Auch bei den fossilen Zellen aus den anderen Gesteinsformationen waren mehrlagige oder konzentrisch angeordnete intrazellulären Membranen zu erkennen. Diese besaßen einen dreilagigen Aufbau aus zwei dichteren Außenschichten und einer weniger dichten Mitte – ähnlich wie die Doppelmembranen heutiger Thylakoide. „Auch ihre Dicke von rund zwölf bis 18 Nanometern stimmt mit der moderner Thylakoid-Membranen überein“, so das Team.

Navifusa majensis
Dieses Mikrofossil des Cyanobakteriums Navifusa majensis ist 1,75 Milliarden Jahre alt und besitzt im Zellinneren bereits Thylakoidmembranen. © Emmanuelle Javaux/ Université de Liège

Ältester Nachweis von Thylakoidmembranen

Diese Funde belegen, dass es schon vor rund 1,75 Milliarden Jahren photosynthetisch aktive Zellen mit Thylakoidmembranen gegeben haben muss. „Bei den Navifusa-majensis-Mikrofossilien aus der Tawallah-Gruppe in Australien handelt es sich damit um die ältesten direkten Belege für Thylakoidmembranen“, konstatieren Demoulin und ihre Kollegen. „Dies liefert uns das minimale Alter für die Entstehung der ersten Thylakoid-besitzenden Cyanobakterien.“ Spätestens zu jener Zeit gab es demnach schon Einzeller mit diesem fortgeschrittenen Photosynthese-Apparat.

Dies könnte auch ein neues Licht auf die Entstehung der Chloroplasten und der ersten eukayotischen Zellen liefern. Denn bisher galten die thylakoidlosen Gloeobacter als die wahrscheinlichsten Lieferanten der Urchloroplasten. Die Thylakoidmembran müsste dann unabhängig voneinander in den Chloroplasten der Eukaryoten und bei den Cyanobakterien entstanden sein. Gab es jedoch schon früher Cyanobakterien mit fortgeschrittenem Photosynthese-Apparat, könnte sie diesen den Eukaryoten direkt „vermacht“ haben.

Waren Thylakoide der „Turbo“ für die Große Oxygenierung?

Und noch eine Implikation haben die Funde: Die frühe „Erfindung“ der Thylakoidmembran könnte möglicherweise auch erklären, warum die Sauerstoffanreicherung der Uratmosphäre gegen Ende der „Großen Oxygenierung“ noch einmal einen starken Schub bekam. „Eine Hypothese besagt, dass die frühe Entwicklung von Thylakoid-tragenden Cyanobakterien dies zumindest in Teilen erklären könnte“, schreiben Demoulin und ihre Kollegen. Weil die Photosynthese durch die Membranstapel effizienter wurde, produzierten diese Algen damals mehr Sauerstoff.

Doch bisher reichen die Fossilfunde der Thylakoidmemembran nur 1,75 Milliarden Jahre in die Vergangenheit zurück. Ob es sie auch schon früher gegeben hat, müssen weitere Fossilfunde erst noch zeigen. „Wir prognostizieren, dass Ultrastruktur-Analysen weiterer gut erhaltener Mikrofossilien die geologische Geschichte der Photosynthese betreibenden Zellen noch tiefer in die Vergangenheit ausdehnen wird“, konstatieren die Forschenden. (Nature,2023; doi: 10.1038/s41586-023-06896-7)

Quelle: Nature

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