Männer und Frauen ticken doch anders: Das Gehirn von Frauen ist sowohl in Ruhe als auch beim lösen von Aufgaben aktiver als das der Männer, wie eine Studie enthüllt. Von 128 verglichenen Hirnregionen sind demnach bis zu 65 Areale bei den Frauen aktiver. Dazu gehören die Steuerzentrale im präfrontalen Cortex und das Emotionszentrum, während bei Männern Bereiche für das Sehen und die Koordination leicht aktiver waren.
Ticken die Gehirne von Männern und Frauen wirklich anders? Über diese Frage wird seit Jahrzehnten diskutiert. Einerseits scheint es klare Unterschiede zu geben: Männer sind beispielsweise vergesslicher, dafür empfinden Frauen Stress und negative Gefühle stärker und neigen eher zu Depressionen. Andererseits unterscheiden sich die Gehirne beider Geschlechter strukturell weniger stark als landläufig angenommen – die Übergänge sind fließend.
Einen weiteren Aspekt haben nun Daniel Amen von Amen Clinics und seine Kollegen untersucht. Sie verglichen die Hirnaktivität von Männern und Frauen in Ruhe und bei verschiedenen Aufgaben mittels Photonenemissions-Computertomografie (SPECT). Dafür werteten sie gut 40.000 Hirnscans von 129 gesunden Versuchspersonen und von 23.683 Patientinnen und Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen aus.
Frauengehirn ist insgesamt aktiver
Das Ergebnis: In den 128 untersuchten Hirnarealen zeigten sich deutliche Aktivitäts-Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Insgesamt war das Gehirn der Frauen sowohl in Ruhe als auch bei den Aufgaben deutlich aktiver. Das ruhende Gehirn gesunder Frauen war in 65 Arealen aktiver als das der Männer, bei Konzentrationsaufgaben reagierten 48 Areale stärker, wie die Forscher berichten.
Bei Männern war die Hirnaktivität insgesamt schwächer. Gegenüber den Frauen waren in Ruhe bei ihnen neun Areale leicht, aber nicht signifikant aktiver, beim Lösen der Aufgaben waren es 22. Nach Angaben der Wissenschaftler handelte es sich bei diesen Hirnbereichen vor allem das Kleinirn und um Zentren der visuellen Verarbeitung.
Mehr Reaktion im Stirnhirn und limbischen System
Einer der bei Frauen aktiveren Bereiche war der präfrontale Cortex, die Region hinter der Stirn, die für Impulskontrolle, Aufmerksamkeit und Entscheidungen zuständig ist. Nach Ansicht der Forscher könnte dies erklären, warum Frauen oft bessere Selbstkontrolle, Empathie, Intuition und eine höhere Neigung und Begabung zur Kollaboration besitzen.
Auch das limbische System, zuständig für Emotionen und Angst, war bei den Frauen aktiver. Dies könnte zumindest teilweise erklären, warum Frauen eher zu Angsterkrankungen, Depression und ähnlichen psychischen Leiden neigen.
„Diese Ergebnisse sind wichtig um die geschlechtsspezifischen Unterschiede des Gehirns zu verstehen“, sagt Amen. Er und seine Kollegen hoffen, mithilfe dieser und weiterer Studien besser zu verstehen, warum neurologische und psychische Erkrankungen häufig ein Geschlecht häufiger treffen. So sind Depression und Alzheimer bei Frauen häufiger, Verhaltensprobleme und Aufmerksamkeitsdefizit-Störungen wie ADHS bei Männern. (Journal of Alzheimer’s Disease, 2017; doi: 10.3233/JAD-170432)
(IOS Press, 08.08.2017 – NPO)