Wenn es darum geht, Gesichter wiederzuerkennen, haben Frauen die Nase vorn: Ihr Personengedächtnis ist deutlich besser als die der meisten Männer. Warum, haben jetzt kanadische Forscher in einem Experiment aufgedeckt: Frauen fixieren das Gesicht ihres Gegenübers intensiver – sie schauen genauer hin. Das wiederum hilft beim Einprägen und verbessert das Gedächtnis, wie die Forscher im Fachmagazin „Psychological Science“ berichten. Eine Hoffnung für die Männer: Möglicherweise lässt sich das genauere Fixieren trainieren – und damit auch das Gesichtsgedächtnis.
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Kennen Sie das? Sie begegnen jemandem auf der Straße oder im Büro und wollen schon achtlos an ihm vorübergehen. Doch die Person spricht Sie an und erklärt, man kenne sich doch. Aber dummerweise können Sie sich partout nicht erinnern, wie derjenige heißt und wo man ihn getroffen hat. Wie gut wir Gesichter wiedererkennen und mit Namen verknüpfen können, ist individuell verschieden. Ein Experiment kanadischer Forscher zeigt jetzt allerdings, dass es auch geschlechtsspezifische Unterschiede gibt: Männer kommen demnach häufiger in solche unangenehmen Situationen als Frauen.
Für die Studie zeigten die Forscher Männern und Frauen eine Reihe von Gesichtern Unbekannter auf einem Computerbildschirm. Zu jedem Gesicht wurde ein Name genannt und eingeblendet, die Versuchspersonen sollten sich Aussehen und Namen der Personen einprägen. Per Eyetracker beobachteten die Wissenschaftler zudem, wohin die Teilnehmer blickten – und wie lange. „Die Art und Weise, wie wir unsere Augen über das Gesicht eines anderen bewegen, beeinflusst unsere Fähigkeit, diese Person später wiederzuerkennen“, erklärt Jennifer Heisz von der kanadischen McMaster University.
Intensiverer Blick
Nach einem Tag und nach vier Tagen wurde getestet, wie viele Personen die Probanden behalten hatten. Das Ergebnis: Frauen schnitten deutlich besser ab, sie hatten sich mehr Gesichter und deren Namen gemerkt. „Wir haben festgestellt, dass Frauen die Gesichter stärker fixierten als die Männer“, sagt Heisz. Das sei aber kein bewusster Prozess, sondern geschehe vollkommen unbewusst. Diese intensivere Fixierung ermögliche es den Frauen, sich die Gesichter besser einzuprägen.
Der festgestellte Zusammenhang zwischen dem Fixieren und der späteren Erinnerung könnte nach Ansicht der Forscher erklären, warum Frauen meist ein besseres Personengedächtnis besitzen und auch, warum sich abseits der Geschlechter-Unterschiede einige Menschen Gesichter besser merken können als andere. Theoretisch könnte man vielleicht sogar das Personengedächtnis trainieren – indem man Menschen mit einer Schwäche in diesem Gebiet beibringt, Gesichter intensiver zu betrachten. Die durch ein gezieltes Training erreichte Veränderung unserer Augenbewegungen könnte das Gedächtnis verbessern helfen – beispielsweise bei Menschen mit Gedächtnisschwächen oder Älteren.
(Association for Psychological Science, 12.06.2013 – NPO)