Du bist ja so peinlich! Wer sich stellvertretend für andere schämt, dem tut es nicht nur sprichwörtlich weh: Es sind tatsächlich ähnliche Gehirnareale aktiv wie beim Nachempfinden des Schmerzes anderer. Das zeigt eine jetzt in „PLoS One“ veröffentlichte Studie zu den neuronalen Grundlagen des „Fremdschämens“. Diese Reaktion ist zudem unabhängig davon, ob die beobachtete „peinliche“ Person sich selbst schämt oder nicht.
Unterhaltungssendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Stromberg“ erfreuen sich großer Beliebtheit – sie liefern Fremdscham dank peinlicher Situationen frei Haus, auch ohne dass die Betroffenen selbst etwas davon mitbekommen. Zahlreiche fMRT-Untersuchungen haben gezeigt, in welchen Hirnregionen Mitleid verarbeitet wird, das man bei der Beobachtung körperlicher Verletzungen anderer empfindet: nämlich in der anterioren Insula und dem anterioren cingulären Cortex. Für das Phänomen stellvertretender Scham gibt es hingegen bislang noch keine vergleichbaren Studien, die empathisches Verhalten mit neuronaler Aktivität in Beziehung setzen.
Fremdscham unabhängig von Reaktion des Beobachteten
Um diese Lücke zu schließen, führten Wissenschaftler der Universität Marburg um Sören Krach und Frieder Paulus zwei Studien durch. In einer Fragebogenstudie konfrontierten sie mehr als 600 Freiwillige mit kurz beschriebenen, peinlichen Szenen und registrierten die Reaktionen. Das Ergebnis: Das Gefühl der Scham stellt sich relativ unabhängig davon ein, ob sich die beobachtete Person ihrerseits blamiert fühlt oder nicht. „In sozialen Interaktionen ist es von so großer Bedeutung, das Gesicht nicht zu verlieren, dass man sich schämt, wenn man sich im Geiste in die Lage eines anderen versetzt, die von außen betrachtet peinlich erscheint“, schreiben die Autoren der aktuellen Studie.
Gleiche Areale wie beiom Mitleiden von körperlichen Schmerzen
In einer zweiten Untersuchung identifizierten die Studienautoren mittels funktionaler Magnet-Resonanztomographie (fMRT), welche Gehirnareale aktiv sind, wenn man andere dabei beobachtet, wie sie absichtlich oder unabsichtlich in der Öffentlichkeit soziale Normen verletzen. Die Forscher maßen die Gehirntätigkeit von 32 Probanden, während diese Darstellungen peinlicher Situationen betrachteten.
„Hierbei fanden wir robuste Aktivierungen der anterioren Insula und im anterioren cingulären Cortex, dem Hirnstamm und dem Kleinhirn“, erklärt Seniorautor Krach – „einem Netzwerk, das auch involviert ist, wenn man Mitgefühl bei körperlichen Schmerzen empfindet.“ Wie erwartet, zeigte sich eine starke neuronale Aktivität selbst dann, wenn sich die beobachtete Person der Peinlichkeit ihrer Lage nicht bewusst war. (PLoS ONE, 2011; DOI: 10.1371/journal.pone.0018675)
(Philipps-Universität Marburg, 14.04.2011 – NPO)